Die Zukunft der Pflege geht uns alle an: Jede:r kann erkranken und eine Behandlung im Krankenhaus benötigen und immer mehr Menschen sind im Alter auf professionelle Pflege angewiesen. Eine qualifizierte Ausbildung ist für die Zukunft der Pflege wichtig.

Hier setzt die seit 2020 modernisierte Pflegeausbildung an: Sie führt die Ausbildungen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in der gemeinsamen Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann zusammen. Zudem sind primärqualifizierende Pflegestudiengänge eingeführt worden. Damit sollen Pflegende für die Beschäftigung in allen Versorgungsbereichen qualifiziert vorbereitet und eine neue Weiterbildungskultur für Pflege in den Krankenhäusern etabliert werden.
Diese zukunftsfeste Qualifizierung bietet mehr Chancen für die Pflege: Gesundheits- und Sozialdienstleistungen werden von der OECD als Boombranche der nächsten Jahrzehnte bezeichnet. Hier gibt es und wird es weiterhin krisensichere Arbeitsplätze für qualifizierte Pflege geben.
Daher sollten wir auf dem Weg zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann niemanden verlieren. Tatsache ist aber, dass regional bis zu 25 Prozent der angehenden Pflegefachpersonen ihre Ausbildung heute nicht beenden. Das muss sich ändern!
Seit Jahrzehnten bilden mehr als achtzig Prozent aller evangelischen Krankenhäuser engagiert Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe aus. Das Ziel ist, den Anteil derjenigen bedeutsam zu senken, die wechseln oder die Ausbildung frühzeitig beenden.

Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e.V. schlägt einen Sechs-Punkte-Plan zur Stärkung von Abschlüssen in der Pflegeausbildung vor:

1. Praxisanleitung mit 20 Prozent gesetzlich stärken

Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner übernehmen in ihrem Beruf große Verantwortung und benötigen dazu umfangreiches theoretisches und praktisches Wissen. Um die notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten zu erwerben, ist die praktische Tätigkeit unter Anleitung zentral wichtig. Für die strukturierte Praxisanleitung sind in der dreijährigen Ausbildung aktuell zehn Prozent der 2.500 Praxisstunden vorgesehen. Dieser Anteil muss gesetzlich auf 20 Prozent pro Auszubildenden – also auf 500 Stunden – erhöht und refinanziert werden. Dabei sollen wie bisher 250 Praxisstunden spezifisch für die 1:1-Betreuung der Auszubildenden und zusätzlich 250 Stunden flexibel einzusetzen sein.
Dieses flexible Zeitbudget der Praxisanleitung ist je nach Bedarf für die Planung und Vorbereitung von Gesprächen mit Vertretern des praktischen Einsatzortes (Krankenhaus, Langzeitpflege und ambulante Pflege) oder den Auszubildenden einsetzbar. Dazu gehören neben dem Auswerten, Besprechen und gemeinsamen Reflektieren von praxisbezogenen Lernaufgaben auch die ethische Reflexion des Pflegeprozesses und des eigenen Erlebens im Beruf, um das in § 5 des Pflegeberufegesetzes geforderte ethisch fundierte Pflegeverständnis und berufliche Selbstverständnis zu entwickeln und zu festigen. Durch diese Maßnahmen kann die Praxisanleitung ihrer Schlüsselrolle für die Auszubildenden besser gerecht werden und Ansprechpartner:in in allen Belangen für den jeweiligen Praxiseinsatzort sein.

Die Einführung der generalistischen Ausbildung hat dazu geführt, dass die Kurse heterogener geworden sind: Die Altersstruktur, das Leistungsniveau und der kulturelle Hintergrund der Auszubildenden unterscheiden sich heute stärker. So liegt die Altersspanne zwischen 15 und 55 Jahren. Zudem ist der Anteil der ausländischen Auszubildenden an der Gesamtzahl der Auszubildenden in den Gesundheits- und Pflegeberufen von 6,5 Prozent im Jahr 2010 auf 16,6 Prozent im Jahr 2019 angestiegen.

Das flexible Zeitbudget gäbe Praxisanleitenden die Möglichkeit, sich den daraus resultierenden Herausforderungen zu stellen: Sie gewinnen Zeit, die Gesprächsführung flexibel, alters- und leistungsgerecht zu gestalten. Zudem wird der erhöhte Aufwand bei betreuungsintensiven Auszubildenden aufgefangen und das erweiterte Zeitbudget ermöglicht es, sensibel und adäquat auf die kulturelle Vielfalt unter den Auszubildenden einzugehen.

WIR FORDERN: Praxisanleitung auf 20 Prozent erhöhen und teilflexibel verwenden.

2. Berufsorientierung und Praxiseinblick in die Pflege intensivieren

Den richtigen Beruf für sich zu finden, ist nicht einfach. Viele Menschen unterschätzen die Anforderungen und die Komplexität der Aufgaben, die der Pflegeberuf mit sich bringt. Ausbildungsabbrüche in der Probezeit und im ersten Ausbildungsjahr sind daher häufig. Um realistische Vorstellungen und Erwartungen des Berufs zu vermitteln, sollten die Möglichkeiten zur Berufsorientierung und zum Praxiserleben des Pflegealltags vor dem Ausbildungsbeginn verstärkt und flexibel genutzt werden. Den Pflegeprozess hautnah mitzuerleben, ermöglicht es Interessentinnen und Interessenten, die Entscheidung für oder gegen einen Pflegeberuf auf der Basis der eigenen Erfahrungen zu treffen.

Bereits heute gibt es vielfältige Maßnahmen und Programme, die einen vertieften oder zeitlich befristeten Einblick in die berufliche Praxis bieten. So führen beispielsweise viele Krankenhäuser mit den Pflegeschulen selbstorganisiert Berufsorientierungstage durch, es werden Betriebspraktika für künftige Auszubildende oder ein längeres Praktikum in den Ferien angeboten. Die Vorgaben für schulische Pflichtpraktika sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.

Auch die Zeit zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn kann für ein Praktikum genutzt werden, das Einblick in die Alltagsprozesse der Pflege bietet. Einen weitreichenden Einblick in den Berufsalltag ermöglicht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Solche Erfahrungen helfen, die eigenen Erwartungen und Wünsche mit der Realität im Beruf abzugleichen. Dies gilt besonders, wenn die Maßnahmen fachlich betreut und gemeinsam reflektiert werden. Um mehr Interessenten einen realistischen Einblick in den Pflegeberuf zugänglich zu machen, muss ein fachlich betreutes Praktikum mit einer anschließenden darauf aufbauenden umfassenden Beratung vor Ausbildungsbeginn ein optionales Angebot der Berufsorientierung sein.
Mehr Flexibilität in den geförderten Programmen, beispielsweise ein halb- oder vierteljähriges FSJ, könnte die Akzeptanz berufsorientierender Maßnahmen zudem erhöhen.

WIR FORDERN: flächendeckend betreute Praktika für Pflege- und Gesundheitsberufe zu fördern.

3. Pflegeassistenz und Pflegehelfer bundeseinheitlich regeln

Neben der Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann bietet die Ausbildung zur Pflegehelferin oder zum Pflegehelfer bzw. zur Pflege(fach)assistenz einen Zugang zum Pflegeberuf. Seit 2003 sind diese Berufe nicht mehr bundeseinheitlich geregelt, sondern unterliegen der Zuständigkeit der Länder. Die Folge sind zahlreiche Ausbildungsgänge (aktuell 23), die sich in Ausbildungsziel, Ausbildungsdauer, erworbenen Kompetenzen sowie Qualitätsprofil unterscheiden.
Um einen gelingenden Einstieg in die Pflegekarriere zu ermöglichen, ist eine bundesweit einheitliche generalistische Regelung der Ausbildung zur Pflegehelferin oder zum Pflegehelfer bzw. zur Pflege(fach)assistenz notwendig. Nur so kann in den Pflegeberufen ein durchgängiges Qualifikationsmodell etabliert werden, das sich am europäischen beziehungsweise deutschen Qualifikationsrahmen orientiert. Das bedeutet: Alle Bildungswege, beginnend bei einer bundeseinheitlich geregelten Assistenzqualifikation, bauen bis hin zur Promotion aufeinander auf und sind in der nächsthöheren Ebene anrechenbar. Das eröffnet den Auszubildenden die heute für die Berufswahl wichtige Möglichkeit zu einem lebenslangen Lernen und zu attraktiven Karrieren im gewählten Berufsfeld Pflege.

WIR FORDERN: bundesweit einheitlich und generalistisch die Ausbildung zur Pflegehelferin oder zum Pflegehelfer bzw. zur Pflege(fach)assistenz zu novellieren.

4. Organisation der Pflegeausbildung flexibilisieren

Das Alter und die Lebenslagen der Auszubildenden sind heute oft heterogen und Lebenswege nicht mehr so stringent wie früher. Daher unterstützt eine flexible Organisation der Ausbildung, die unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht wird, die Entscheidung für den Pflegeberuf: Auszubildende erhalten die Möglichkeit, ihre Ausbildung passend zu ihrer individuellen Lebenssituation zu absolvieren. Dazu sollten Modelle wie Teilzeitausbildung mit entsprechend verlängerter Ausbildungszeit, Abendschule oder neue Ausbildungsformen mit flexiblen Zeit- und Urlaubsformen intensiv genutzt werden. Zudem muss es möglich sein, innerhalb der maximalen Ausbildungsdauer von fünf Jahren die Ausbildung zu unterbrechen.

Neben einer flexiblen Ausbildungsorganisation benötigen Auszubildende je nach persönlichem und familiärem Hintergrund weitere Unterstützung. Das kann sowohl eine seelsorgerische als auch eine sozialpsychologische Betreuung umfassen. Das Modell der Schulsozialarbeit, das in einigen Bundesländern in den allgemeinbildenden Schulen existiert, muss auf die Pflegeschulen ausgeweitet und sachgerecht von den Ländern finanziert werden. Die Schulsozialarbeiter:innen unterstützen Auszubildende nicht nur in schwierigen Lebenssituationen während der Ausbildung, sondern sie vermitteln die Kompetenz, sich auch später im Beruf in herausfordernden Lebenssituationen unterstützende Ressourcen zu erschließen.

WIR FORDERN: Schulsozialarbeit bundesweit für Pflegeschulen einzuführen und regelhaft zu finanzieren.

5. Entwicklung und Aufstiege in der Pflege konsequent fördern

Im dritten Ausbildungsjahr stellt sich vielen Auszubildenden die Frage, wie es nach dem Berufsabschluss weitergehen soll. Welche Perspektiven bietet der Beruf? Diese wichtige Orientierungsphase können Arbeitgeber für sich nutzen, indem sie den angehenden Absolventinnen und Absolventen hausintern Perspektiven zur Weiterentwicklung aufzeigen. Eine bereits eingeführte oder geplante Weiterbildungskultur unterstützt die Pflegequalifikation. Wichtig ist dabei
– Karrierepfade und horizontale Fachkarrieren zu ermöglichen,
– eine konsequente Ausrichtung der Angebote an unterschiedlichen Lebenssituationen,
– akademische Pflegekarrieren im Berufsalltag aufzuzeigen und
– Weiterbildung bereits während der Ausbildung erlebbar zu machen.

Die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung macht eine Anpassung der geltenden Fort- und Weiterbildungsordnungen entsprechend den nun geltenden Ausbildungszielen notwendig. So muss allen Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern der Zugang zu den individuell angestrebten Fort- und Weiterbildungen perspektivisch ermöglicht werden. Zudem sind die Voraussetzungen für personelle Anforderungen der verschiedenen Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) generalistisch weiterzuentwickeln. Dabei müssen insbesondere auch die neuen primärqualifizierenden Studiengänge entsprechend berücksichtigt werden.

Pflegerisches und medizinisch-therapeutisches Wissen entwickelt sich ständig weiter, neue digitale Anwendungen und medizintechnische Technologien verändern den Pflegealltag. Daher ist in der Pflege lebenslanges Lernen unverzichtbar. Um von Anfang der Ausbildung an die Kompetenz des eigenständigen lebenslangen Lernens und eine positive Weiterbildungskultur bei den Auszubildenden zu entwickeln, soll jeder Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr ein individuelles Weiterbildungsbudget erhalten. Das muss regelhaft refinanziert werden. Über die Verwendung des individuellen Weiterbildungsbudgets soll der Ausbildungsbetrieb zusammen mit den Auszubildenden entscheiden.

WIR FORDERN: geltende Fort- und Weiterbildungsordnungen sowie personelle Anforderungen der G-BA Qualitätsrichtlinien müssen generalistisch anschlussfähig überarbeitet werden.

6. Rahmenbedingungen in der Pflege verbessern

Gute Rahmenbedingungen in der Pflege fangen schon in der Ausbildung an: Hier brauchen Auszubildende verlässliche Strukturen und die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Das bedeutet auch, dass Krankenhäuser ein ausbildungssensibles Ausfallmanagement etablieren, um personellen Engpässen zu begegnen. Nur so werden Ausbildungszeiten nicht durch den bestehenden Fachkräftemangel negativ beeinflusst. Darüber hinaus müssen Fachkräfte und Praxisanleiter:innen emphatisch auf die Bedürfnisse der Auszubildenden eingehen. Voraussetzungen dazu werden unter anderem durch die geforderte Ausweitung der Praxisanleitung und seelsorgerische sowie soziale Unterstützung geschaffen.

Die professionelle Pflege bietet eine große Vielfalt an Aufgaben. Daher ist es im Stationsalltag sinnvoll, dass Fachkräfte mit verschiedenen Ausbildungen in qualifikationsgemischten Teams auf Augenhöhe miteinander und mit dem medizinischen Personal zusammenarbeiten. Dabei müssen die Pflegeprozesse, Pflegeabläufe und Übergänge in der Pflege gut gestaltet werden – gut für die Patientinnen und Patienten und gut für alle in den Prozess eingebundenen pflegerischen, therapeutischen und medizinischen Professionen. Können sich Pflegefachkräfte aktiv in die Abläufe und die Organisation der Stationen einbringen, erfahren sie Selbstwirksamkeit und Wertschätzung für ihr Tun. Die in der neuen Pflegausbildung verankerten vorbehaltenen Tätigkeiten (Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses und Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege) unterstreichen zudem die Qualifikation sowie die Eigenverantwortlichkeit und werten so den Beruf auf. Die vorbehaltenen Tätigkeiten sind zu konkretisieren. Ziel ist es, die interprofessionelle Teamarbeit und die Übernahme von Verantwortung in der Pflege zu stärken und so die Attraktivität des Berufsbildes zu verbessern.

WIR FORDERN: die vorbehaltenen Tätigkeiten der Pflege sind vom Bundesgesetzgeber zu konkretisieren.

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