Der DEKV setzt sich für eine Medizin ein, die sich der Achtung der Würde, der Integrität und der sozialen Bezogenheit des einzelnen Menschen unter allen Umständen verpflichtet weiß und von daher auch Grenzen für ihr Handeln gewinnt und respektiert. Das gilt in besonderer Weise für die Transplantationsmedizin.

Stellungnahme des DEKV zum Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) vom 14. September 2018

Der am 31.08.2018 vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegte Referentenentwurf GZSO will die Zusammenarbeit und die Strukturen des Systems der Organspende und der Transplantationsmedizin in den Krankenhäusern verbessern, um mehr Transparenz in diesem Bereich herbeizuführen. Das befürwortet der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV). Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen für die Organisation Krankenhaus sind aus dieser Sicht unkritisch. Überdies unterstützt der DEKV das ethische Ziel, durch eine Organtransplantation schwer kranken Menschen zu helfen und Leben zu retten. Es erfordert auch, Mängel und Schwachstellen der erforderlichen Prozesse zu identifizieren und nach Möglichkeit zu beheben.

Problematisch ist hingegen die These des Gesetzentwurfes, dass Krankenhäuser die Entnahmen potenziell transplantierbarer Spenderorgane aufgrund unzureichender Refinanzierung des anfallenden Aufwandes unterlassen. Gegen diesen Generalverdacht spricht sich der DEKV entschieden aus. Denn in den 117 evangelischen Entnahmekrankenhäusern wird mit höchster fachlicher Expertise transplantationsmedizinische Versorgung sichergestellt. Damit setzen sie die Gemeinschaftsaufgabe Organspende sehr verantwortungsvoll um.

Im Folgenden wird zu zwei Punkten, der pauschalen Vergütung für die Entnahmekrankenhäuser und dem uneingeschränkten Zugang zu den Intensivstationen des Transplantationsbeauftragten, Stellung genommen:

 

§ 9a des Transplantationsgesetzes soll wie folgt geändert werden:

  1. b) Folgende Absätze 3 und 4 werden angefügt:

  „(4) Zur Sicherstellung ihres Versorgungsauftrags erhalten die Entnahmekrankenhäuser eine pauschale Abgeltung für die Leistungen, die sie im Rahmen der Organentnahme und deren Vorbereitung erbringen. Die pauschale Abgeltung besteht aus
1. einer Grundpauschale für die im Zusammenhang mit den Feststellungen nach Absatz 2 Nummer 1 erbrachten Leistungen einschließlich der diagnostischen Leistungen,

  1. einer Pauschale für die Abgeltung der Leistungen der intensivmedizinischen Versorgung sowie
  2. einer Pauschale für die Abgeltung der Leistungen bei der Organentnahme.

Zusätzlich erhalten die Entnahmekrankenhäuser einen Ausgleichszuschlag für die im Zusammenhang mit dem Prozess einer Organspende in besonderem Maße verbundene Inanspruchnahme der notwendigen Infrastruktur.“

 

Der DEKV befürwortet, dass künftig eine leistungsgerechte und transparente Vergütung für stationäre Leistungen im Rahmen der Organentnahme und deren Vorbereitung gesichert werden soll. Grundsätzlich gilt für den DEKV allerdings, dass die Vorbereitung und die Entnahme eines Spenderorgans kein Geschäftsmodell für ein Krankenhaus sein darf. Die vorgeschlagene pauschale Vergütung mit ihren Einzelkomponenten sollte angemessen und kostendeckend sein, um Fehlanreize bei der Organentnahme und deren Vorbereitung zu unterbinden.

 

§ 9b des Transplantationsgesetzes soll wie folgt geändert werden:

  1. cc) Folgender Satz wird angefügt:

„Dabei stellen sie insbesondere sicher, dass

  1. der Transplantationsbeauftragte hinzugezogen wird, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen,
  2. der Transplantationsbeauftragte zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ein uneingeschränktes Zugangsrecht zu den Intensivstationen des Entnahmekrankenhauses erhält,
    3. dem Transplantationsbeauftragten alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotentials, der Spendererkennung und der Spendermeldung zur Verfügung gestellt werden,
  3. durch Vertretungsregelungen die Verfügbarkeit eines Transplantationsbeauftragten sichergestellt ist und
  4. die Kosten für fachspezifische Fort- und Weiterbildungen des Transplantationsbeauftragten übernommen werden.“

 

Der Referentenentwurf erweitert die Befugnis und Aufgaben des Transplantationsbeauftragten, indem er uneingeschränktes Zugangsrecht zu den Intensivstationen des Entnahmekrankenhauses erhält. Der DEKV hält diese Regelung für bedingt geeignet und für nicht umsetzungsfähig im Krankenhausalltag.

Um die Neutralität des Transplantationsbeauftragten zu wahren, sollte er medizinisch-fachlich unabhängig sein. Zu vermeiden ist zudem, dass er für die Erhöhung der Anzahl der Spenderorgane des Entnahmekrankenhauses verantwortlich gemacht wird. Der DEKV sieht dabei die Gefahr, dass der Transplantationsbeauftragte sich in der Rolle eines “Organakquisiteurs“ wiederfinden könnte.

Unbestritten ist die Datenlage, dass die Zahl der Menschen, denen durch eine Organtransplantation geholfen werden könnte, schneller steigt als die Zahl transplantierbarer Spenderorgane. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine einfache Kausalität ist aufgrund der komplex wirkenden Einflussfaktoren nicht herzustellen. Die Anzahl der potenziellen Spenderorgane steht in Abhängigkeit von Patienten, die dafür infrage kommen. Dies sind in der Regel relativ junge Verkehrsopfer. Würde der Transplantationsbeauftragte daran gemessen, wie nachhaltig er die Zahlen der Organspende in der Entnahmeklinik verbessert, wäre damit der Gemeinschaftsaufgabe Organspende und ihrem gesamtgesellschaftlichen Vertrauensaufbau nicht gedient.

Der DEKV setzt sich für eine Medizin ein, die sich der Achtung der Würde, der Integrität und der sozialen Bezogenheit des einzelnen Menschen unter allen Umständen verpflichtet weiß und von daher auch Grenzen für ihr Handeln gewinnt und respektiert. Das gilt in besonderer Weise für die Transplantationsmedizin. Solche Selbstbegrenzung schließt den Verzicht ein, alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zu realisieren, wenn das bedeuten würde, über einen Menschen und seine Organe zu verfügen, ohne dass dieser zu Lebzeiten oder wenigstens seine nächsten Angehörigen nach seinem Tod einer Entnahme von Organen zu Transplantationszwecken zugestimmt hätten.

Überdies weist der DEKV darauf hin, dass die Entscheidung, Organe für Transplantationszwecke zur Verfügung zu stellen oder nicht, in Freiheit und ohne jeden Druck, auf Grundlage ausreichender Information, nach reiflicher Überlegung und Erwägung aller relevanten Gesichtspunkte getroffen werden sollte. Auch ist zu akzeptieren, wenn Menschen noch keine Entscheidung getroffen haben oder sich zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht festlegen wollen. Die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zur Frage der Organspende wird in der Regel die Beratung und das Gespräch mit anderen, vor allem nahestehenden Menschen und Personen des Vertrauens erfordern und sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass sich die persönliche Einstellung gerade zu dieser Frage, abhängig von wechselnden Lebensumständen, neuen Erfahrungen und Einsichten, ändern kann.

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