Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz – Pflegekompetenzgesetz (PKG)
Durch das hier vorgelegte Pflegekompetenzgesetz sollen Pflegefachpersonen zukünftig Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen dürfen, die bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. Dafür soll ein rechtlicher Rahmen gesetzt werden. Für die Entwicklung des Pflegeberufs bedeutet dies einen wichtigen Schritt. Für die Versorgung von Patientinnen und Patienten, insbesondere im Bereich der Langzeitpflege und der häuslichen Krankenpflege, können diese Regelungen eine Sicherung und Verbesserung der Versorgung in der Zukunft bedeuten. Im Krankenhaus können Prozesse dadurch zukünftig effizienter verlaufen, wenn komplexe Pflegeprozesse arztunabhängig durchgeführt werden können.
Als Interessenvertretung der 199 evangelischen Krankenhäuser vertritt der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) fast jedes 9. Krankenhaus in Deutschland. Aufgrund der fachlichen Expertise des DEKV und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Krankenhauspraxis wird sich die hier vorgelegte Stellungnahme auf den Bereich der Pflege im Krankenhaus, hauptsächlich Artikel 1 Nr. 5, Artikel 3, Artikel 5, fokussieren.
Im Krankenhaus ist die enge Zusammenarbeit im interdisziplinären Team tägliche Praxis. Pflegefachkräfte übernehmen im Rahmen der ärztlichen Delegation bereits seit langer Zeit heilkundliche Tätigkeiten. Allerdings wünschen sich Pflegefachpersonen, insbesondere jene mit Fachweiterbildung oder akademischer Qualifikation, die Möglichkeit unabhängiger und selbstverantwortlich in den Aufgabenfeldern zu arbeiten, für die sie eine Qualifikation und entsprechende Kompetenzen erworben haben. Dafür sind verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen wichtig. Pflegerische Prozesse, die heilkundliche Tätigkeiten beinhalten, können eigenverantwortlich ausgeführt werden, benötigen keine ärztliche Konsultation mitten im Prozess mehr und werden dadurch effizienter und zielgerichteter. Das gesamte interdisziplinäre Team im Krankenhaus wird dadurch entlastet.
Die Erlaubnis zur Ausübung erweiterter heilkundlicher Tätigkeiten ist darüber hinaus ein wichtiger Schritt, den Pflegeberuf attraktiver zu machen: die Übernahme von mehr Verantwortung bedeutet für Pflegefachpersonen eine größere berufliche Selbstwirksamkeit und die Möglichkeit zur beruflichen Weiterentwicklung. Aus-, Fort und Weiterbildung gewinnen dadurch an Bedeutung. Die Pflege wird ein Beruf, in dem sich Menschen durch lebenslanges Lernen sichtbar und langfristig weiterentwickeln und persönliche berufliche Ziele verfolgen können.
Wir danken dem Bundesministerium für Gesundheit für die Vorlage dieses für die Pflege wichtigen Regelungsentwurfs und die Möglichkeit zur Stellungnahme, der der Deutsche Evangelische Krankenhausverband gerne nachkommt. Wir würden uns freuen, wenn unsere Anmerkungen und Änderungsvorschläge aus Sicht der Krankenhauspraxis im weiteren Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden.
Zu Beginn möchten wir vier grundsätzliche Hinweise zum Pflegekompetenzgesetz geben:
• Die Ausgestaltung der Heilkundeausübung muss generalistisch erfolgen. Sie hat daher auch für die Pflege im Krankenhaus eine erhebliche Relevanz. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen nachgesetzlichen Regelungs- und Entwicklungsaufträge müssen unbedingt unter Beteiligung der Interessenvertretung der Krankenhäuser erfolgen.
• Bei der Umsetzung der Heilkundeausübung muss die Profession Pflege, deren Tätigkeiten und der Pflegeprozess handlungsleitend sein. Eine Entlastung der ärztlichen Berufsgruppe ist dabei sicherlich ein begrüßenswerter Nebeneffekt, sollte aber nicht Schwerpunkt der Überlegungen werden.
• Die Erweiterung der pflegerischen Tätigkeiten um die Heilkunde sollte nicht über einzelne Tätigkeiten definiert werden, vielmehr müssen, im Sinne eines „Scope of Practice“, die Prozesse im Vordergrund stehen, die einzelne heilkundliche Tätigkeiten beinhalten.
• Wir bitten das BMG frühzeitig zu prüfen, wie die Übernahme bisher rein ärztlicher Tätigkeiten sich möglicherweise auf Budgetfragen, insbesondere auf eine Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen, auswirken könnte.
Konkrete Regelungsvorschläge zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz
1. Die Anerkennung von Kompetenzen für die erweiterte Heilkundeausübung muss zeitnah konkretisiert werden
Artikel 3 Nr. 2
§ 15a SGB V definiert die von Pflegefachpersonen erbringbaren Leistungen, einschließlich der heilkundlichen Tätigkeiten nach § 4a (neu) Pflegeberufegesetz (Artikel 5 Nr. 3). Voraussetzung ist das Vorliegen entsprechender Kompetenzen, insbesondere bei den erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten (Satz 3). Neben der hochschulischen Pflegeausbildung nach § 37 Abs. 2 S. 2 wird auch eine gleichwertige „Qualifikation, die auch in anderen als den drei genannten Bereichen erworben sein kann (z.B. in der Intensivpflege)“ als mögliche Berechtigung zur erweiterten Heilkundeausübung angeführt. Qualifikationen sollen insbesondere durch entsprechende Fachweiterbildungen, aber auch im Ausland erworben werden können. Die Module der Fachkommission nach § 14 Pflegeberufegesetz sollen für eine Bewertung der Qualifikationen oder Kompetenzen als fachliche Orientierung ohne Verbindlichkeit dienen.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass bei der erweiterten Heilkundeausübung explizit auch fachweitergebildete Pflegefachpersonen und Pflegefachpersonen aus dem Ausland Berücksichtigung finden. Es ist aber nicht klar geregelt, nach welchem Maßstab und durch welche verantwortliche Stelle oder Institution die Bewertung der vorhandenen Kompetenzen durchgeführt wird. Es braucht daher zeitnah einen verbindlichen, bundeseinheitlichen Maßstab, um die notwendigen Kompetenzen für die in § 37 Abs. 1 Nr. 6 bis 8 eingeführten erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten einzuschätzen. Wir schlagen vor, dies im Rahmen des Entwicklungsauftrags nach Artikel 1 Nr. 2, Artikel 1 Nr. 5b) mit Frist zu beauftragen.
Formulierungsvorschlag
Artikel 1 Nr. 5b): der neue § 8 Abs. 3c SGB XI ist um folgenden Satz zu ergänzen:
Zu den in § 37 Abs. 1 Nr. 6 bis 8 des Pflegeberufegesetzes hinterlegten erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten ist bis 31.12.2025 auf Basis dieses Absatzes eine Richtlinie vorzulegen, die die Feststellung der Gleichwertigkeit von Kompetenzen konkretisiert, die nicht im Rahmen des 3. Teils des Pflegeberufegesetzes in der zum 01.01.2025 gültigen Fassung erworben wurden.
2. Die Interessenvertretung der Krankenhäuser muss in die Ausgestaltung der konkreten erweiterten heilkundlichen Leistungen einbezogen werden
Artikel 3 Nr. 5
Mit einer Ergänzung zu § 39 Absatz 1 Satz 3 wird die Krankenpflege als Teil der Krankenhausbehandlung um die erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten ergänzt.
Wer diese erbringen darf und welche Kompetenzen dafür Voraussetzung sind, wird in der zugehörigen Gesetzesbegründung weiter ausgeführt:
„Welche erweiterten heilkundlichen Aufgaben Pflegefachpersonen erbringen können, richtet sich nach den jeweiligen, z. B. im Rahmen der hochschulischen Ausbildung, einer qualifizierten Fachweiterbildung erworbenen oder in einer Kenntnisprüfung nachgewiesenen Kompetenzen. Der Rahmenvertrag nach § 73d sowie fachliche Empfehlungen zu pflegerischen Aufgaben und Anforderungen an Weiterbildungen, die auf der Grundlage von § 8 Absatz 3c des Elften Buches entwickelt werden, stellen hierfür eine Orientierungshilfe dar.“
Damit haben sowohl der Rahmenvertrag nach § 73d SGB V als auch die Weiterentwicklung auf Basis von § 8 Abs. 3c SGB XI einen erheblichen Einfluss auf die Pflege im Krankenhaus. Die Vertretung der Interessen der Krankenhäuser muss also in beide Prozesse einbezogen werden.
Zu Artikel 1 Nr. 5b
Mit dem neuen Absatz 3c im § 8 SGB XI erhält der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gemeinsam mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Auftrag, wissenschaftliche Expertisen für eine konkrete Ausgestaltung der Inhalte von pflegerischen heilkundlichen Leistungen des Fünften und Elften Buches, die durch Pflegefachpersonen gestaffelt nach Qualifikationsniveau nach Maßgaben von § 15a des fünften Buches erbracht werden können, zu beauftragen.
Neben der fachlichen Expertise der maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene nach § 118a können weitere geeignete Fachorganisationen am Entwicklungsprozess nach § 8 Abs. 3c beteiligt werden.
Die aus diesem Auftrag entwickelten Expertisen haben direkten Einfluss auf die Pflege im Rahmen des § 39 SGB V. Die dort getroffenen Festlegungen und Empfehlungen haben direkte Relevanz für die Krankenhausorganisation, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Personalsteuerung und die Personalentwicklung. Darüber hinaus spielt die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit ihrer „DKG-Empfehlung zur pflegerischen Fachweiterbildung“1 eine wichtige Rolle bei der (Weiter-)Entwicklung der Fachweiterbildungen und übernimmt auch im Rahmen von G-BA-Vorgaben die Gleichwertigkeitsprüfung bei pflegerischen Fachweiterbildungen. Aus diesem Grund muss den Vertreterinnen oder Vertretern der Interessen der Krankenhäuser regelhaft die Möglichkeit zur Beteiligung am Entwicklungsprozess nach § 8 Abs. 3c SGB XI eingeräumt werden.
Formulierungsvorschlag:
Im Pflegekompetenzgesetz wird Artikel 1 Nr. 5b in Bezug auf § 8 Abs. 3c S. 4 wie folgt gefasst:
Bei der Beauftragung der Erstellung wissenschaftlicher Expertisen sowie ihrer Durchführung ist sicherzustellen, dass die Auftragnehmer die fachliche Expertise der maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene nach § 118a und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in geeigneter Art und Weise einbeziehen.
Zu Artikel 3 Nr. 8
Mit dem Rahmenvertrag nach § 73d SGB V soll ein Katalog an erweiterten heilkundlichen Leistungen, die Pflegefachpersonen, abhängig von den erworbenen Kompetenzen, nach ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung selbständig erbringen können, vereinbart werden. Ebenfalls ist ein Katalog an Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37, die Pflegefachpersonen, […], selbständig als Folgeverordnung veranlassen können, zu vereinbaren. Beauftragt sind die Spitzenorganisationen nach § 132a Absatz 1 Satz 1 und die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter Beteiligung der Träger von stationären Pflegeeinrichtungen nach § 71 Absatz 2.
Zwar haben die erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten eine hohe Bedeutung für die pflegerische Arbeit im Sektor der stationären Langzeitpflege und der ambulanten Pflege, jedoch sind die hier festgelegten erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten und die zugehörigen Kompetenzen auch für die Krankenpflege bedeutsam. Erstens müssen Pflegekompetenzen im Sinne einer generalistischen Pflege in allen Tätigkeitsfeldern kongruent sein. Zweitens wird die Regelungen nach § 73d SGB V für § 39 SGB V als orientierende Grundlage festgelegt. Damit bekommt der Rahmenvertrag nach § 73d SGB V in Bezug auf die erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten eine erhebliche Relevanz für die Krankenhäuser.
Die Ausgestaltung der pflegerischen Arbeit und Befugnisse hat direkten Einfluss auf die Krankenhausorganisation, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Personalsteuerung und die Personalentwicklung. Trotzdem erfolgt die Entwicklung des Katalogs nach § 73d SGB V ohne Vertreterinnen oder Vertreter der Interessen der Krankenhäuser. Wir fordern daher für diese ein Stellungnahmerecht.
Formulierungsvorschlag:
Im Pflegekompetenzgesetz wird Artikel 3 Nr. 8 in Bezug auf § 73d Abs. 1 S. 7 wie folgt gefasst:
Den maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene nach § 118a des Elften Buches und der Bundesärztekammer sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind vor Abschluss des Rahmenvertrags Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
3. Weiterentwicklung der Pflegepersonalbedarfsbemessung nach § 137l SGB V bezüglich der erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten
Das Ziel der Einführung der Pflegepersonalbedarfsbemessung mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vom 20.12.2022 ist es, die Personalsituation in der Pflege kurzfristig zu verbessern, indem der für eine bedarfsgerechte Pflege am Bett erforderliche Personaleinsatz festgelegt wird. Die Pflegepersonalbedarfsbemessung nach § 137k SGB V basiert auf dem Konzept der PPR 2.0 und den dort hinterlegten pflegerischen Tätigkeiten. Mit dem Pflegekompetenzgesetz soll das Aufgabenspektrum der Pflege um erweiterte heilkundliche Tätigkeiten vergrößert werden. Diese Tätigkeiten sind im Konzept der PPR 2.0 noch nicht erfasst. Sie bedeuten aber im Pflegedienst einen zusätzlichen Zeitaufwand und daher Personalbedarf. Die Pflegepersonalbedarfsbemessung muss dahingehend weiterentwickelt werden, auch mit dem Blick auf eine zukünftige Beachtung des bedarfsgerechten Qualifikationsmix.
Der Gesetzentwurf zum Pflegekompetenzgesetz muss eine wissenschaftliche Weiterentwicklung der Pflegepersonalbedarfsbemessung bezüglich der erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten vorsehen.
Formulierungsvorschlag:
Dem § 137l SGB V wird ein neuer Absatz 5 hinzugefügt
(5) Die Vertragsparteien auf Bundesebene im Sinne des § 9 Absatz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes stellen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Weiterentwicklung der Pflegepersonalbemessung in der Pflege im Krankenhaus nach § 137k Abs. 4 sicher, insbesondere im Hinblick auf eine Berücksichtigung der erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten nach § 15a. Dabei sind die Ergebnisse des Auftrags nach § 8 Abs. 3c SGB XI zu berücksichtigen. Das Verfahren zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung erfolgt nach den Grundsätzen der Absätze 1 bis 4, wobei die Inhalte der Beauftragung dem Bundesministerium für Gesundheit bis 30.09.2025 vorgelegt werden müssen, die Beauftragung hat bis spätestens 31.03.2026 zu erfolgen. Die Ergebnisse der Weiterentwicklung sind dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31.12.2026 vorzulegen. Für Absatz 4 Satz 2 gilt die Frist 30.09.2025.
In § 137k SGB V Abs. 2 Satz 1 ist „der Deutsche Pflegerat e.V. – DPR“ durch „die maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene nach § 118a SGB XI“ zu ersetzen.