Schriftliches Beteiligungsverfahren zum Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen
Seit jeher richten evangelische Krankenhäuser ihr Augenmerk verstärkt und bewusst auf vulnerable Patient:innen. Die qualifizierte Versorgung von Patient:innen mit Behinderungen, demenziell Erkrankten, geriatrischen und hochaltrigen Patient:innen sowie Patient:innen mit lebensbegrenzender Diagnose ist für die evangelischen Krankenhäuser nicht stationäres Leistungsgeschehen, sondern gelebte Solidarität in der gesundheitlichen Versorgung. Daher engagieren sich viele interprofessionelle Teams aus Mediziner:innen, Pflegenden und therapeutischen Professionen für eine ständige Verbesserung von Versorgungsmodellen für diese Patient:innengruppen. Dies geschieht unter anderem über die Mitwirkung bei der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Qualitätsverträgen, deutschen, europäischen und internationalen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften, Aufbau von krankheitsbezogenen Registern sowie die Beteiligung an klinischen Studien und Versorgungsstudien.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) ist als Branchenverband der evangelischen Krankenhäuser Fürsprecher für die Belange von Menschen mit Behinderung. Wir setzen uns insbesondere für die Teilhabe an einer guten gesundheitlichen Versorgung ein.
Wir danken dem Bundesministerium für Gesundheit für den Start des Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen und die Möglichkeit, mit Konzepten, Anregungen und Ideen an dessen Gestaltung mitzuwirken.
Der Aktionsplan umfasst mit den Themen Diversität, Inklusivität und Barrierefreiheit im Gesundheitswesen auch eine Vielzahl von Versorgungsbereichen, Regelungsfeldern und vor allem Gruppen von Patient:innen mit unterschiedlichsten Anforderungen.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband wird sich in nachfolgender Stellungnahme hauptsächlich auf die Verbesserung der stationären Versorgung von Menschen mit Behinderung fokussieren. Dabei werden insbesondere Menschen mit geistigen und schweren Mehrfachbehinderungen in den Mittelpunkt gestellt, denn bei diesen Patient:innengruppen sehen wir unsere Expertise.
Handlungsfeld I: Barrierefreie und inklusive Gesundheitsversorgung
Schätzungsweise 1 Million Menschen sind in Deutschland von einer intellektuellen Entwicklungsstörung betroffen. Die Ursachen können angeborene Syndrome oder eine Erkrankung oder Unfallfolgen sein. Dieser Personenkreis weist ein erhöhtes Risiko für körperliche und psychische Krankheitsbilder auf; die Lebenserwartung ist erheblich reduziert. Die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit den sich daraus ergebenden besonderen Behandlungsansprüchen ist für das medizinische und pflegerische Personal herausfordernd. Nicht selten sind diese Patientinnen und Patienten eingeschränkt sprechfähig und können zum Beispiel Schmerzen nicht oder nur eingeschränkt äußern. Pflegekräften und Ärzteschaft fällt es u.a. schwer, das Krankheitsbild von Menschen mit Behinderungen richtig zu diagnostizieren, einzuschätzen und zu behandeln. Hinzu kommt häufig ein herausforderndes Verhalten: Die Patinent:innen versuchen wegzulaufen, schreien und wollen sich nicht behandeln lassen. Ein möglicher Auslöser dafür ist Angst vor dem Ungewohnten, vor dem Kontakt mit Fremden oder vor der Behandlung.
Die Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung erfordert dadurch eine besondere Qualifikation, ein besonderes Einfühlungsvermögen und Erfahrung. Jede Untersuchung und Behandlung braucht mehr Zeit und häufig auch mehr personelle Ressourcen. In der stationären Regelversorgung sind daher Behandlungen und Diagnostik oftmals nicht erfolgreich oder werden von vorneherein nicht durchgeführt. Bei geplanten Untersuchungen und Behandlungen sind Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderungen häufig auf die Expertise der wenigen Krankenhäuser und Fachabteilungen in Deutschland angewiesen, die sich auf die Behandlung dieser Patient:innengruppen spezialisiert haben. Dies sind vor allem Epilepsiekliniken, spezialisierte Neurologien oder Zentren zur Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung. Diese Krankenhäuser sind für die meisten Patient:innen nicht wohnortnah zu finden. Das ist eine erhebliche Barriere für die gute Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung.
Um Menschen mit Behinderung flächendeckend zu versorgen, schlagen wir vor allem folgende Maßnahmen vor:
– Ein flächendeckendes, dreistufiges Netzwerk von Krankenhäusern mit Expertise zur Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung (siehe Abbildung 1).
– Eine Stärkung des Themas „Behandlung von Menschen mit Behinderung“ in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsfachberufe und damit eine bessere Sensibilisierung der Gesundheitsfachkräfte für das Thema.
– Den strukturierten Ausbau der ambulanten Versorgung durch Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB).
Darüber hinaus empfehlen wir eine bessere Beachtung des Themas „Versorgung von Menschen mit Behinderung“, in normativen Instrumenten zur Qualitätssicherung im Krankenhaus, insbesondere bei der Pflegepersonalbedarfsbemessung, und Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Barrierefreiheit in den Krankenhäusern.
Die detaillierten Umsetzungsvorschläge entnehmen Sie bitte dem anliegenden Formblatt.