Dienstagabend in Bochum: Gut 2.000 Teilnehmer waren gekommen, um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu hören und zu erleben. Enttäuscht wurden sie nicht. Jens Spahn wählte bei dem Vortragsthema „Herausforderungen in der Gesundheitspolitik“ einen Wechsel zwischen dem Grundsätzlichen und dem Speziellen, gespickt mit zahlreichen Beispielen aus der Gesundheits- und Pflegepolitik.

Elegant webte er die Stimmung der Bürger und regionale Anliegen von Berufsgruppen im Gesundheitswesen ein. Diese stammten unter anderem aus den früher am Tag stattgefundenen Besuchen in Krankenhäusern der Ruhrmetropole.

Zu einer „Gestaltung mit einer gewissen Schnelligkeit“, bekannte er sich und dies sei es, was ihn antreibe. Nicht nur soziale, auch innere und kulturelle Sicherheit sei ihm wichtig. Er glaubt, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Bedürfnis danach haben, nicht alles jeden Tag infrage zu stellen und aufs Neue zu verhandeln. Auch stelle ein Großteil infrage, ob der Staat in seinen Kernaufgaben noch funktioniere.

Die Formel, die es laut Spahn brauche, lautet: Debatte + Entscheidung + Perspektive.

 

Erstens: Gute Debatten und keinen schlechten Streit

Grundlegend sei es, nicht sofort moralisch zu werden und ins Absolute zu gehen. Ohne diese Bereitschaft bleibe kaum Raum für Diskussion übrig. „Wie schaffen wir gemeinsam etwas? Und wie bleiben oder kommen wir zusammen?“, empfahl Spahn als handlungsleitende Fragen. Das gelte auch bei der Selbstverwaltung, die viele Aufgaben von der Politik erhält. Jeder müsse die Bereitschaft mitbringen, sich bei seinen Standpunkten und Positionen zu bewegen. „Nichts sei alternativlos“, mahnte Spahn. Ihm sei wichtig, Debatten zum Kompromiss hinzuführen. Und das mit Tempo und Nachdruck.

 

Zweitens: Entscheidungen müssen beim Bürger ankommen

Die Entscheidungen im Regierungshandeln müssen für die Bürger spürbar sein. Laut Spahn werde damit gutes Regieren erlebbar. Und das fördere das Vertrauen in das Regierungshandeln. Als Beispiel führte der Bundesgesundheitsminister die Pflegekostenausgliederung aus dem DRG an. Damit habe die Regierung darauf reagiert, dass in der Vergangenheit die Pflegepersonalkosten zweckentfremdet worden sind und andere Bereiche damit finanziert wurden. „Diesen Fehlanreiz wollten wir abschaffen“, resümierte Spahn. Auch schneller einen Facharzttermin über 116 117 und die Terminservicestellen zu erhalten, führte er als Beispiel an.

 

Drittens: Perspektive

„Eine Vision für die 20’er Jahre müssen wir bieten. Wenn einige meinen, die alternde Gesellschaft ist eine aktuelle Herausforderung, dann sage ich Ihnen: Es geht erst so richtig los“, betonte Spahn. Die Babyboomer-Generation gehe in den nächsten 10 Jahren in Rente. Im Jahr 1964 seinen 1,4 Millionen Kinder in Deutschland zur Welt gekommen, 2018 waren es noch 700tausend. „Damit ist klar: Pflege ist eines der großen Themen in den 20’ern.“ Konkret kündigte Spahn an, in 2020 die Pflegefinanzierung anzugehen. „Wir müssen austarieren, wer welche Lasten trägt und wie wir Eigen-, Familien- und Gesellschaftsverantwortung verteilen“, resümierte Spahn. Auch kündigte er ein konkretes Projekt in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an: Die Gründung eines europäischen RKI.

Die Teilnehmer des Politischen Forums Ruhr erlebten einen Bundesgesundheitsminister mit Gestaltungswillen, wobei er auch nicht davor zurückschrecke, ein „Notfalls schreibe ich das ins Gesetz“ anzuwenden.

Nach der einstündigen Fragestunde, die einen großen Bogen von seinen Vorstellungen zur Förderung eines gesunden Lebensstils bei Männern über die Refinanzierung von Therapiehunden bis zur Frage nach konkreten Maßnahmen zur Eindämmung von Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft spannte, richtete Jens Spahn einen Wunsch an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: „Ein bisschen weniger schlechte Laune. Und mehr Zuversicht.“

Berlin, 21. November 2019

Pressefoto Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, © BMG