Eine gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland ist heute eine Selbstverständlichkeit.
Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen die knappen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Darüber hinaus ist es eine gemeinschaftliche gesellschaftliche Aufgabe, zu prüfen, ob die Versorgungs- und Sicherstellungsaufträge der Leistungserbringer mit den gewachsenen Strukturen und Prozessen im Gesundheitswesen erbracht werden können.
Die Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband fordern, Patientinnen und Patienten wieder in den Mittelpunkt der stationären Versorgung zu rücken und als Souveräne ihrer Gesundheitsversorgung zu respektieren.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist eine sachgerechte Ausfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung eine zwingende Voraussetzung. Von entscheidender Bedeutung sind daher die wirtschaftlichenThemen Finanzierung und Liquidität. Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist prekär.
Im Jahr 2023 drohte 18 % der deutschen Krankenhäuser die Insolvenz. Nach Berechnungen des RWI Krankenhaus Rating Reports 2023 wird der Anteil an insolvenzbedrohten Krankenhäusern bis 2030 sogar auf 44 % steigen. 2023 werden voraussichtlich 47 % der Häuser einen Jahresverlust verzeichnen.1
1. Bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten gelingt nur mit wirtschaftlicher Sicherung der stationären Infrastruktur
Ein Großteil der diakonischen Krankenhäuser hat sehr kurzfristig Schwierigkeiten, die Gehälter der Mitarbeitenden und die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferantinnen und Lieferanten sowie Kreditinstituten zubedienen. Bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erhalten die evangelischen Krankenhäuser in der Regel keine Ausgleiche von Kirche, Land oder Kommune. Deshalb sind sie auf eine auskömmliche Regelfinanzierung angewiesen.
Nicht beeinflussbare externe Faktoren, vornehmlich ausgelöst durch den Ukrainekrieg sowie die Inflation, haben die Krankenhäuser in diese außergewöhnliche wirtschaftliche Schieflage geführt. Hauptgrund für dieangespannte Liquiditätssituation sind die inflationsbedingt stark steigenden Kosten und die Auswirkungen der Tarifabschlüsse im Zusammenspiel mit dem anhaltenden Fallzahlrückgang gegenüber den Vorpandemiejahren. Ein Ausgleich dieser Kostensteigerungen ist in den gesetzlichen Regelungen zur Krankenhausfinanzierung nicht abgebildet. Daher haben die Krankenhäuser ihre finanziellen Reserven und Gestaltungsspielräume nahezu aufgebraucht.
Als Diakonie Deutschland und Deutscher Evangelischer Krankenhausverband treibt uns die Sorge um, dass sich die aktuelle Liquiditätssituation der Krankenhäuser negativ auf die weiteren diakonischen Hilfefelder auswirkt. Dadurch könnte ein unerwünschter Dominoeffekt für die Stabilität der sozialen Infrastruktur entstehen. Die Folgen wären große Lücken in der gesundheitlichen und sozialen Versorgung.
Deshalb sind vordinglich finanzielle Brückenhilfen erforderlich. Ohne diese Hilfen ist die flächendeckende Versorgung der Patientinnen und Patienten gefährdet. Bereits jetzt finden unkontrollierte Krankenhausschließungen statt, weitere drohen im Jahr 2024 einzutreten.
Die Krankenhäuser benötigen eine kurzfristige finanzielle Unterstützung, um die laufenden Betriebskosten zu decken. Die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser dient der Sicherung der bestehenden Kontinuität in der qualifizierten Patientinnen- und Patientenversorgung.
5-Tage Zahlungsziel
Die Liquiditätssicherung durch die Fortführung des 5-Tage Zahlungsziels (§ 415 SGB V) ist ein wichtiges und effektives Instrument. Diese Brückenhilfe muss im Gesetzentwurf berücksichtigt werden. Das 5-Tage Zahlungsziel für Krankenkassen zur Begleichung von Krankenhausrechnungen bis zur Anwendung der Vorhaltekostenfinanzierung ist ab 2025 zu verstetigen. Der unsicheren regionalen Fallzahlvariabilität und damit verbundenen Zahlungsengpässen kann so pragmatisch begegnet werden.
Vollständige Übernahme des Orientierungswertes in die Landesbasisfallwerte
Die gesetzliche Kappung von 33 % des Orientierungswertes führt dazu, dass die Einnahmen der Krankenhäuser weniger stark steigen als die tatsächlichen Kosten.
Auch belasten vielfältige fixe Sachkosten und hohe Tarifsteigerungsraten die Krankenhäuser. Die aktuelle Tarifvereinbarung von Ende März 2024 zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sieht eine lineare Gehaltserhöhung in einer Gesamthöhe von zehn Prozent für 2024 und 2025 vor. Bei diesen außergewöhnlich hohen Kostensteigerungen haben die Krankenhäuser große Schwierigkeiten, ihre Kosten zu decken und die Qualität der Versorgung aufrechtzuerhalten.2
Die Vereinbarung der Differenz zwischen dem Orientierungswert und der Veränderungsrate gemäß § 10 Absatz 6 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) ist retrospektiv auch für die Jahre 2022 und 2023 aufzuheben. Der Orientierungswert ist als Grundlage der tatsächlichen Kostenentwicklung im Krankenhaus nachträglich ohne Abzüge anzuwenden. Die erfolgte Absenkung in den vergangenen Jahren belastet undifferenziert alle Krankenhäuser. Durch diese Regelung sind Krankenhäuser mit hohen Fixkosten bei Geräten und Personal überproportional benachteiligt worden.
Fixkostendegressionsabschlag letztmalig im Jahr 2024
Der Fixkostendegressionsabschlag (FDA), rechtlich in § 4 Krankenhausentgeltgesetz verankert, ist im Jahr 2017 in Kraft getreten und verfolgt das Ziel, dass Krankenhäuser, die mehr Leistungen erbringen als geplant, einen Abschlag zahlen müssen. Dies sollte verhindern, dass Krankenhäuser aus wirtschaftlichen Gründen unnötig viele Behandlungen durchführen. Der FDA sollte außerdem dazu beitragen, die Mengensteuerung in der Krankenhausfinanzierung zu verbessern und ökonomische Anreize zu verringern.
Mit der Coronapandemie sind die stationären Fallzahlen jedoch dauerhaft um über 13 Prozent von 19,4 Millionen im Jahr 2019 auf 16,8 Millionen im Jahr 2022 gesunken. Auch wenn im Jahr 2022 die Fallzahlen gegenüber 2021 um rund 63.000 oder 0,4 % auf 16,8 Millionen leicht angestiegen sind, liegen diese weiterhin deutlich unter den stationären Behandlungsfällen des Jahres 2019.3 Es ist daher auszuschließen, dass Krankenhäuser nicht notwendige Leistungen erbringen. Auch besteht für Krankenhäuser durch die regelhafte Unterfinanzierung der Betriebskosten durch die Kappung der Landesbasisfallwerte kein Anreiz zur Mengenausweitung. Der FDA ist daher letztmalig für das Vereinbarungsjahr 2022 anzuwenden und folglich letztmalig im Jahr 2024 zu erheben. Für zusätzliche Leistungen, die ab dem Jahr 2022 vereinbart wurden oder werden, kommt entsprechend kein Fixkostendegressionsabschlag mehr zur Anwendung. Dies dürfte auch zu einer Beschleunigung der Budgetverhandlungen auf Ortsebene beitragen.
In Nordrhein-Westfalen kommt es bei der erstmaligen Umsetzung der Krankenhausplanung mit Leistungsgruppenbezug zu größeren Verschiebungen von Fallzahlen. Mit jeder weiteren Umstellung auf die Leistungsgruppenplanung in den Bundesländern wird dieser Effekt auftreten. Die Leistungsverlagerung erfordert bereits jetzt eine bundeseinheitliche Regelung, die eine Sanktionierung von Mehrleistungen ausschließt.
2. Sicherung einer flächendeckenden notfallmedizinischen Versorgung
Die Refinanzierung der Notfallambulanzen in deutschen Krankenhäusern ist durch eine Mischfinanzierunggekennzeichnet. Der Mix aus unzureichender ambulanter Vergütung und nicht abgrenzbaren Erlösen aus der stationären Vergütung führt dazu, dass die Notaufnahmen langjährig strukturell unterfinanziert sind.
Exemplarisch hierfür ist, dass die Kosten für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme nicht angemessen ermittelt werden können, da die Finanzierung hauptsächlich auf die stationäre Versorgung ausgerichtet ist. Im Ergebnis führt dies dazu, dass Krankenhäuser nicht die erforderlichen finanziellen Mittel erhalten, um die Notaufnahmen kostendeckend zu betreiben.
Gleichzeitig werden ambulante Notfälle bezogen auf die vorgehaltenen Krankenhausstrukturen unzureichend vergütet.4 Infolgedessen erhalten auch hier die Notaufnahmen nicht die erforderlichen finanziellen Mittel, um ambulante notfallmedizinische Patientinnen und Patienten kostendeckend zu versorgen.
Der DEKV fordert daher die sachgerechte Ausfinanzierung der vorgehaltenen notfallmedizinischen Versorgungsstrukturen in den Krankenhäusern.
Darüber hinaus ist es daher notwendig, die Abrechnungsdaten für die stationäre Notaufnahme stärker aus den Aufnahmegründen zu differenzieren. Das schafft eine bessere Kostentransparenz. Durch diese detailliertere Erfassung der Aufnahmegründe könnte transparenter nachvollzogen werden, welche Kosten tatsächlich durch stationäre Notfallpatientinnen und -patienten verursacht werden. Zur Herleitung der tatsächlichanfallenden Kosten und einer Kostentransparenz sind regelhaft der Aufnahmeanlass und Aufnahmegründe im § 21er Datensatz für die Notaufnahme bzw. Rettungsstelle weiter zu spezifizieren. Im Rahmen der InEK-Kalkulation ist eine weitere Differenzierung der Notaufnahmen in einer neuen Kostenstellengruppe stationäreNotfallmedizin (Gruppe 14) zu diskutieren.
3. Dringlichkeit beschleunigter Weiterbildungsermächtigungen bei neuen Krankenhausversorgungsaufträgen
Die Umsetzung des KHVVG wird zu Umstrukturierungen der Krankenhauslandschaft und zu Leistungsverlagerungen führen. Besonders gilt dies bei zusätzlichen und neuen Leistungsgruppen, die Auswirkungen auf die personelle Besetzung u.a. mit Assistenzärztinnen und Assistenzärzten haben. Für diese Gruppe sind nur Krankenhäuser mit Weiterbildungsermächtigungen attraktive Arbeitgeber. Daher ist es für die Krankenhäuser von herausragender Bedeutung, mit Erhalt des Feststellungsbescheids für eine Leistungsgruppe von den Landesärztekammern schnellstmöglich eine Weiterbildungsermächtigung zuerhalten. Der Zulassungsprozess zur Weiterbildungsstätte durch die Landesärztekammern ist jedoch zeitaufwändig und dauert über 12 Monate. In dieser Zeit der Antragsstellung und Zulassungsgenehmigung führt das zu Verzögerungen bei der Besetzung der Stellen für Assistenzärztinnen und Assistenzärzten. Dadurch wird die personelle Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebs gefährdet und die Arbeitgeberattraktivität des Krankenhauses ist bis zur Zulassung verringert.
Beschleunigte Verfahren sowie Ausnahmeregelungen bei der Weiterbildungsermächtigung könnten diese Herausforderung reduzieren. Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass die Landesärztekammern beschleunigte Verfahren einführen, um die Bearbeitungszeit für Weiterbildungsermächtigungen zu verkürzen. Hier empfiehlt sich die Einführung einer Genehmigungsfrist innerhalb eines Quartals.
Alternativ wäre die Einführung flexiblerer Regelungen, beispielsweise vorläufige Weiterbildungsermächtigungen, ein gangbarer Weg.
4. Vorhaltefinanzierung
Die Vielfalt der vorgelegten Finanzierungsregelungen ist komplex und in ihren wechselseitigen Auswirkungen für die Krankenhauspraxis nicht vollumfänglich einschätzbar. Beispiele hierfür sind die Regelungen zur Vorhaltekostenfinanzierung und die heute noch nicht bekannten, aber beabsichtigten bundeseinheitlichenQualitätsanforderungen und Mindestvorhaltezahlen bei den Leistungsgruppen.
Ohne eine Auswirkungsanalyse zur zukünftigen Leistungsverteilung sowie den Leistungsverboten ist aufgrund der unklaren Wechselwirkungen keine valide Planung möglich. Es hat daher prospektiv eine transparente Auswirkungsanalyse der Reformauswirkungen zu erfolgen.
Langfristige Planung mit Umstellung auf Vorhaltekosten braucht eine gesicherte prospektive Auswirkungsanalyse
Die Leistungsgruppen und die Vorhaltefinanzierung sollen die medizinisch-pflegerische Konzentration inzentiveren. Damit das gelingt und die Krankenhausträger die nötigen Transformations-, Restrukturierungs- und Investitionsentscheidungen gesichert treffen können, ist eine langfristige prospektive Auswirkungsanalyse zu erstellen. Qualitative Anforderungen für die Leistungsgruppen sind in die zukünftigen Versorgungsbedarfe einzuschließen. Nur so wird es gelingen, dass die Träger der Krankenhäuser ein unternehmerisches Risiko eingehen.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Einzelfragen, die ein wirtschaftlich tragfähiges Betreiben von Krankenhäusern gefährden. Das wirtschaftliche Betriebsergebnis des Krankenhauses hängt weiterhin stark von der Anzahl der behandelten Patientinnen und Patienten ab. Es ist anzunehmen, dass der Verlust einer Leistungsgruppe nichtkompensierbar ist. Darüber hinaus wird es durch die Vorhaltefinanzierung auf Leistungsgruppenebene und den Mengenkorridor innerhalb der Leistungsgruppen kaum noch möglich sein, ein wirtschaftliches Defizit in einer Leistungsgruppe durch eine andere Leistungsgruppe auszugleichen.
Die neu vorgesehenen Restriktionen im Bereich der onkochirurgischen Leistungen (neuer § 40 KHG) erscheinen mit ihrer Grenze von 15 % normativ festgelegt worden zu sein. Hier müssen qualitative Kriterien eingerichtet werden, die auf die Struktur- und Behandlungsqualität abzielen.
Herausfordernd sind zudem die Regelungen über kurzfristig eintretende Leistungs- und Abrechnungsverbote. Wenn beispielsweise nur für einen Monat respektive drei Monate ein oder mehrere Qualitätskriterien vom Krankenhaus nicht erfüllt werden können (neuer § 275a Absatz 3 SGB V; neuer § 6a Absatz 3 KHG), führt dies zu Abrechnungsverboten. Hier müssen angesichts immer möglicher eintretender personeller Verhinderungen oder Veränderungen längere Fristen vorgesehen werden.
Auch ist fraglich, wie ein Krankenhaus notwendige neue Leistungen in sein Angebot aufnehmen kann. Es müssen bereits Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen erreicht werden, ohne dass die jeweilige Leistungsgruppe dem Krankenhaus zugewiesen ist (neue §§ 135e, 135f SGB V, neuer § 6a Absatz 1 KHG). Ohne Klarheit, dass eine Leistungsgruppenzuweisung erfolgt, besteht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Daher sind Regelungen erforderlich, welche analog zur Mindestmengen-Regelung des G-BA z. B. bei personellen Veränderungen Übergangszeiträume gewähren.
Dreijährige Konvergenzphase
Die vorgesehene Konvergenzphase in der Krankenhausreform muss auf drei Jahre verlängert werden.
Die G-DRG-Einführung hat seinerzeit gezeigt, dass die Umstellung auf ein neues Vergütungssystem erhebliche Auswirkungen auf die Patientinnen- und Patientenversorgung sowie die Krankenhausorganisation hat. Eine qualitativ hochwertige kontinuierliche Versorgung ist daher über eine Verlängerung der Konvergenzphase sicherzustellen. Die Krankenhäuser müssen neue personelle und bauliche Anforderungen sowie interne Prozesse, u. a. in der Abrechnung und Verhandlung der Leistungsvergütung, umsetzen. Dies erfordert Zeit und Ressourcen.
5. Notwendige Flexibilität bei der Fallzahlplanung
Durch die Krankenhausreform wird sich der Ort der stationären Behandlung für Patientinnen und Patienten verschieben. Das ergibt sich unter anderem daraus, dass komplexe Leistungen an einem Standort gebündelt werden sollen. Aber nicht alle Behandlungen lassen sich regional exakt planen und abgrenzen. Hier bedarf es einer flexiblen Regelung für die zugewiesenen Fallzahlen und dem damit verbundenen Korridor. Krankenhäuser mit einem überregionalen Einzugsgebiet oder einem Einzugsgebiet, welches über die Planungsregionen hinaus geht, benötigen Ausnahmen beim Leistungskorridor. Besonders Krankenhausverbünde benötigen mehr Freiraum bei zugewiesenen Fallzahlen je Leistungsgruppe.
Die politisch gewollte und sinnvolle Konzentration sowie Verlagerung von Leistung darf nicht an den Grenzen von Planungsbezirken scheitern.
6. Sektorenübergreifende Versorger
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband und die Diakonie Deutschland erkennen in sektorenübergreifenden Krankenhäusern nach § 115g SGB V das Potenzial für positive Auswirkungen auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie auf das Gesundheitswesen insgesamt.
Es gibt sowohl einen Bedarf für die kurzstationäre medizinisch-pflegerische Versorgung zur Verhinderung oder zur Verkürzung eines stationären Aufenthalts als auch dafür, Krankenhäuser in unterversorgten Gebieten für die ambulante ärztliche Versorgung zu öffnen.
Die Aufgaben umfassen die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem akuten medizinischen Bedarf und die Betreuung von Menschen mit chronischen Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit, Einschränkungen in der Mobilitätoder einem aus anderen Gründen erhöhten Unterstützungsbedarf. Diese Patientinnen und Patienten benötigenkeine medizinische Maximalversorgung. Bei ihnen liegt der Fokus auf Unterstützung, Pflege, Aktivierung, Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von psychischen, kognitiven und mobilitätsbezogenen Fähigkeiten.
Der große Vorteil liegt in der möglichen verbesserten Zusammenarbeit, Vernetzung und Kommunikation verschiedener Fachdisziplinen und Akteure im Gesundheitswesen. Krankenhäuser, ambulant tätige Ärzte, Rehaeinrichtungen, Apotheken, Pflegeeinrichtungen sowie weitere Akteure können besser miteinander verzahnt werden und Synergien freisetzen. Dies kann zu einer effizienteren und qualitativ hochwertigen Versorgung der Patientinnen und Patienten führen.
Eine multiprofessionelle Versorgung, die z. B. auch das Angebot einer Fallbegleitung bzw. eines Case Management sowie ggf. Leistungen von Heilmittelerbringer:innen und Hebammen beinhaltet, ist für die sektorenübergreifenden Versorger derzeit nicht vorgesehen. Die im Referentenentwurf zitierten bereits modellhaft in verschiedenen Bundesländern (z. B. Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg) geförderten regionalen, lokalen oder integrierten Primärversorgungs- oder Gesundheitszentren gehen hier wesentlich weiter.
Die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für die Übergangs-, Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege ist grundsätzlich zu begrüßen, vor allem in unterversorgten Regionen. Es ist jedoch noch genauer festzulegen,wie eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit zum Besten der Patient:innen ausgestaltet werden kann.
Eine bedarfsgerechte Finanzierung ist eine Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Implementierung. Für sektorenübergreifende Einrichtungen ist sicherzustellen, dass diese über die notwendigen monetären Ressourcen für eine effektive Versorgung verfügen.
Die vorgesehenen Regelungen zur Einführung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen enthalten jedoch erkennbar viel Bürokratie und viele Unklarheiten. So werden auf die Krankenhäuser aufwändige Budgetverhandlungen mit Leistungsvereinbarungen, Vereinbarung eines Gesamtvolumens (Budget), Rechengrößen zur Herleitung der Kosten, Begrenzung der Budgetsteigerung (Orientierungswert), Degression des Tagesentgeltes, Erlösausgleiche, Jahresabschlussprüfertestate, Fristvorgaben sowie Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst zukommen. Diese Regelungen sollten durch weniger komplexe Vorgaben ersetzt werden, beispielsweise durch ein Gesamtbudget.
Alternativ wäre eine Grundpauschale denkbar, die auch die Leistungen einer Fallbegleitung bzw. eines Case Managements umfasst. Darüber hinaus sollten Erweiterungen bei der ambulanten und stationären Behandlung im Sinne einer sektorenverbindenden Versorgung erfolgen.
Aufnahme Zusatzentgelte für sektorenübergreifende Versorger
Krankenhäuser nach § 115g Absatz 1 SGB V benötigen auch die Berechtigung zur Abrechnung ausgewählter Zusatzentgelte, um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Dazu gehören auch die exemplarische Erbringung von palliativmedizinischen Komplexbehandlungen, die Versorgung von Schwerstbehinderten, naturheilkundliche Komplexbehandlung sowie Peritonealdialysen. Es erschließt sich medizinisch nicht, warum für die vorgenannten Leistungen ein Ausschluss bei Erfüllung der Qualitätsanforderungen vorliegen sollte. Ein Recht auf Erbringung ausgewählter Zusatzentgelte würde die Attraktivität der sektorenübergreifenden Versorger sowie die bürgerorientierte Versorgung stärken. Die Erbringung der Leistungen muss sich erhöhend auf das Gesamtbudget auswirken.
7. Generalistische Pflegeausbildung in der Speziellen Kinder- und Jugendmedizin
In Anlage 2 zu § 135e SGB V ist bei Leistungsgruppe Nummer 47 „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ bei den Sonstigen Struktur- und Prozesskriterien: „Kinderkrankenpflegeausbildung (mind. in Kooperation)“ aufgeführt.
Hier ist eine Anpassung erforderlich. Die Formulierung Kinderkrankenpflege widerspricht dem Gedanken der Generalistik. Die Verengung der speziellen Kinder- und Jugendmedizin auf den nicht generalistischen Abschluss Kinderkrankenpflege ist nicht im Einklang mit der Systematik des Pflegeberufegesetzes und muss daher konkretisiert werden. Die nicht generalistischen, besonderen Pflegeabschlüsse sind aus der Anlage 2 zu streichen. Pflegefachpersonen nach Pflegeberufegesetz können Menschen aller Altersstufen versorgen. Pflegefachpersonen mit Vertiefungseinsatz Pädiatrie sind auch für die spezielle Kinder- und Jugendmedizin voll einsetzbar.
Änderungsvorschlag: Das Krankenhaus hat einen Kooperationsvertrag mit einer Pflegeschule als Träger der praktischen Ausbildung „Pflegefachmann/frau“ und bietet Praxiseinsätze im Bereich der Pädiatrie an.
Wir bitten Sie, die vorgenannten Änderungen im Gesetzentwurf zu berücksichtigen.
1 Vgl. Auguruzky, B. et al. (2023). Krankenhaus Rating Report 2023: Die Revolution?!.
2 Vgl. https://www.marburger-bund.de/bundesverband/pressemitteilung/tarifabschluss-10-prozent-mehr-gehalt-zwei-stunden-weniger, abgerufen 9. April 2024
3 Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/09/PD23_386_231.html, abgerufen 9. April 2024
4 Vgl. KBV: https://www.kbv.de/media/sp/2016-12-02_PG_ambulante_Notfallversorgung.pdf, abgerufen 9. April 2024 DGINA: https://www.dgina.de/aktuelles/leistungsgruppe-notfallmedizin, abgerufen 9. April 2024
DKG: https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.2_Finanzierung_und_Leistungskataloge/2.2.3._Ambulante_Verguetung/2.2.3.4._Ambulante_Notfallvehandlung_durch_Krankenhaeuser/2015-02- 17_Gutachten_zur_ambulanten_Notfallversorgung_im_Krankenhaus_2015.pdf, abgerufen 9. April 2024