Ein Meniskusschaden wird heute meist ambulant operiert. Doch wie sieht es aus, wenn eine Patientin betagt ist und durch zusätzliche Erkrankungen wie Hypertonie und Adipositas die Mobilisation nach der Operation erschwert ist? Wenn zu Hause niemand ist, der sie unterstützen kann – im Gegenteil: Der leicht demente Ehemann braucht selbst Hilfe, eine Aufgabe, die normalerweise seine Frau übernimmt. Aus Sicht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ist der Fall klar: Auch diese Patientin kann ambulant versorgt werden. Bleibt sie aufgrund einer Drainage, der Gabe von leichten Schmerzmitteln und zur krankengymnastischen Betreuung für zwei Tage stationär im Krankenhaus, handelt es sich um eine Fehlbelegung.
Prüfpraxis bestraft verantwortliches Handeln
Zentrale Inhalte des aktuell im Kabinett diskutierten MDK-Reformgesetzes sind neben der Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes von den Kranken- und Pflegeversicherungen die Abrechnungsprüfungen in den Krankenhäusern. Hier will das Gesetz die Abrechnungsqualität der Krankenhäuser belohnen. „Im Prinzip ist das ein guter, begrüßenswerter Ansatz. Doch er wird den aktuellen Gegebenheiten bei der Versorgung bestimmter Patienten nicht gerecht: Wollen Krankenhäuser bei der Betreuung vulnerabler Patientengruppen, beispielsweise der zunehmenden Zahl älterer oder kognitiv eingeschränkter Patienten, so handeln, wie es die besondere Situation dieser Patienten erfordert, sind scheinbare Fehlbelegungen unvermeidbar. Dadurch setzen sich die Krankenhäuser dem Verdacht der Falschabrechnung und einer sich daraus ergebenden erhöhten Prüfquote sowie ab 2021 Sanktionszahlungen aus. Das ist vor dem Hintergrund der demografischen Zahlen und dem Aufwuchs älterer und kognitiv eingeschränkter Patienten im Krankenhaus ein falsches Signal. Stattdessen muss eine politische und gesellschaftliche Lösung gefunden werden, die sicherstellt, dass verantwortliches Handeln gegenüber vulnerablen Patientengruppen nicht zu Lasten der Krankenhäuser geht“, erklärt Christoph Radbruch, Vorstand des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV).
Versorgungsengpässe abbauen
Dass eine politische Lösung gefunden werden muss, zeigen erste Ansätze beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen: Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte Anfang Juni an, dass zur Erleichterung des Übergangs aus der stationären Behandlung in solchen Situationen die Kurzzeitpflege auch in Krankenhäusern möglich und abrechnungsfähig werden soll. Bisher ist diese Betreuungsform auf Pflegeheime beschränkt. Es stehen jedoch in vielen Regionen zu wenige Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung. Dazu Radbruch: „Kurzzeitpflege im Krankenhaus im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung ist ein wichtiger Baustein in einem aus verschiedenen Komponenten bestehenden Lösungsmodell. Einen weiteren Beitrag können evangelische Krankenhäuser leisten. Sie sind in der diakonischen Versorgungskette in ein System eingebunden, das neben der Krankenhausbehandlung die Kurz- und Langzeitpflege, die Sozial- und Diakoniestationen bis hin zum Aufenthalt im Hospiz umfasst. Damit können diakonische Versorgungseinrichtungen dem Bedarf erkrankter Menschen umfassend und verantwortungsbewusst gerecht werden.“
„Um ausreichend Kapazitäten zu schaffen, muss die Abrechenbarkeit dieser Leistungen gegeben sein. Dazu gilt es unter anderem bei der Verabschiedung des MDK-Reformgesetzes die Weichen in Richtung eines verantwortlichen Handelns zu stellen. Aus Sicht des DEKV wäre dazu eine klinisch-ethische Kompetenzstelle der richtige Weg, die bei besonders betreuungsbedürftigen Patientengruppen in die Entscheidungsfindung regelhaft mit einbezogen werden muss. Die Verantwortung für die Patientinnen und Patienten muss an erster Stelle stehen“, betont Radbruch.
Berlin, 17. Juli 2019
Stellungnahme zum MDK-Reformgesetz
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