Die 199 evangelischen Krankenhäuser mit ihren 273 Standorten beschäftigen 123.000 Mitarbeitende bundesweit, davon 45.000 Pflegekräfte. Sie versorgen jährlich rund 2 Millionen Patient:innen stationär.
Mit 65 Geburtskliniken und 32 Perinatalzentren wird mehr als jedes 10. Kind in einem evangelischen Krankenhaus geboren. Die evangelischen Krankenhäuser übernehmen besondere Verantwortung bei der qualifizierten Versorgung vulnerabler Patient:innen, insbesondere für kognitiv Eingeschränkte, demenziell Erkrankte, Menschen mit Behinderungen, Patient:innen mit lebensbegrenzender Diagnose, Kinder und Jugendliche, ältere Notfallpatient:innen und Hochbetagte. 25% der vollstationären Fälle in evangelischen Kliniken betreffen die Versorgung vulnerabler Patient:innen.
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern für das Jahr 2021 vom 20. September 2021 werden die Bereiche Orthopädie, Gynäkologie und Geburtshilfe ab 1. Januar 2022 zu zusätzlichen pflegesensitiven Bereichen in denen Pflegepersonaluntergrenzen einzuhalten sind. Außerdem erfolgt eine Differenzierung des bisherigen pflegesensitiven Bereichs Pädiatrie in eine allgemeine Pädiatrie, neonatologische Pädiatrie und spezielle Pädiatrie. Die spezielle Pädiatrie umfasst die Bereiche Neuro- und Sozialpädiatrie, die Dermatologie, Diabetologie und Rheumatologie. Die 2019 eingeführten Pflegepersonaluntergrenzen sind aus Sicht des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes und der Diakonie Deutschland eine politische Notbremse, um vor dem Hintergrund des bestehenden, strukturellen Pflegepersonalmangels die Arbeitsbelastung der Pflegenden in den Krankenhäusern zu verringern sowie die Patient:innensicherheit zu gewährleisten.
Die Ermittlung der PpUGs erfolgte wie in den Jahren zuvor auf Basis einer repräsentativen Stichprobe von Realdaten aus den Deutschen Krankenhäusern1,2. Dies ist konsequent und im Rahmen der Limitationen der Methode für die bisherigen Bereiche einer stationären Akutversorgung sachgerecht. Je spezialisierter die durch PpUGs regulierten Bereiche aber werden, desto weniger kann diese generalisierte Methode für die Versorgungspraxis zuverlässige Ergebnisse liefern. Dies trifft unserer Ansicht nach vor allem auf die nun geregelten pflegesensitiven Bereiche Gynäkologie und Geburtshilfe und die spezielle Pädiatrie in Verbindung mit der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Besonderen Einrichtungen nach § 17b Abs.1 S.10 KHG zu.
Wir danken daher für die Möglichkeit zur Stellungnahme und bitten nachfolgende Änderungsvorschläge zu berücksichtigen.
Gynäkologie und Geburtshilfe
In der Gynäkologie und Geburtshilfe sieht der vorliegende Referentenentwurf zur PpUG-Verordnung ein Personalverhältnis von 1:8 am Tag und 1:18 in der Nacht vor (Art. 1 Nr. 4 b) ee)).
Neben der Fachabteilung der Gynäkologie und Geburtshilfe als Mischform existieren häufig aber auch reine Stationen für Gynäkologie und reine Stationen für Geburtshilfe. Die Behandlungspraxis zeigt, dass der Pflegebedarf von Patientinnen in der Gynäkologie vergleichbar mit der allgemeinen Chirurgie (1:10/1:20) ist. In der Geburtshilfe werden Schwangere und Mütter mit deren gesunden Neugeborenen im Wochenbett versorgt. Sie sind auf eine intensive Betreuung und Beratung, hauptsächlich durch Hebammen und Entbindungspfleger angewiesen. Erkrankte Neugeborene werden in der Regel in einer Pädiatrie oder neonatologischen Pädiatrie versorgt. Wir bitten diese differenzierten Pflegebedarfe zu berücksichtigen und schlagen folgende Änderungen vor.
1. Gynäkologie und Geburtshilfe sollen unabhängige pflegesensitive Bereiche mit jeweils eigener Pflegepersonaluntergrenze sein.
2. Die Pflegepersonaluntergrenze im Bereich Gynäkologie wird mit einem Verhältnis von 1:10 in der Tagschicht und 1:20 in der Nachtschicht festgelegt.
3. Die Pflegepersonaluntergrenze im Bereich Geburtshilfe wird mit einem Verhältnis von 1:8 in der Tagschicht und 1:18 in der Nachtschicht festgelegt.
4. In der Geburtshilfe bleiben gesunde Neugeboren (aDRG P-67) bei der Ermittlung der Patientenbelegung unberücksichtigt.
5. Hebammen und Entbindungspfleger werden im pflegesensitiven Bereich Geburtshilfe wie Pflegevollkräfte gemäß § 2 Abs. 1 in Anrechnung gebracht.
Entsprechend möchten wir folgende Formulierungsvorschläge unterbreiten:
Art. 1 Nr. 4 a) ee) wird wie folgt geändert:
Folgende Nummer wird angefügt: „13. Gynäkologie ab dem 1. Januar 2022: a) in der Tagschicht: 10 zu 1, b) in der Nachtschicht: 20 zu 1.“
Art. 1 Nr. 4 a) wird der Doppelbuchstabe ff) angefügt:
Folgende Nummer wird angefügt: „14. Geburtshilfe ab dem 1. Januar 2022: a) in der Tagschicht: 8 zu 1, b) in der Nachtschicht: 18 zu 1.
Bei der Ermittlung der Patientenbelegung bleiben gesunde Neugeborene (aDRG P67) unberücksichtigt. Erkrankte Neugeborene, die im Bereich der Geburtshilfe versorgt werden sind zu berücksichtigen. Hebammen und Entbindungspfleger können im Bereich Geburtshilfe wie Pflegekräfte nach § 2 Abs.1 angerechnet werden.“
Art. 1 Nr. 4 b) ee) wird wie folgt geändert:
Folgende Nummer wird angefügt: „13. Gynäkologie ab dem 1. Januar 2022: a) in der Tagschicht: 5 Prozent, b) in der Nachtschicht: 0 Prozent.“
Art. 1 Nr. 4 b) wird der Doppelbuchstabe ff) angefügt:
Folgende Nummer wird angefügt: „14. Geburtshilfe ab dem 1. Januar 2022: a) in der Tagschicht: 5 Prozent, b) in der Nachtschicht: 0 Prozent.
Bei der Ermittlung der Patientenbelegung bleiben gesunde Neugeborene (aDRG P67) unberücksichtigt. Erkrankte Neugeborene, die im Bereich der Geburtshilfe versorgt werden sind zu berücksichtigen.“
Spezielle Pädiatrie
Mit der Einführung des pflegesensitiven Bereichs Pädiatrie im Jahr 2021 müssen auch Besondere Einrichtungen nach § 17b Abs.1 S.10 KHG für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen, sozialpädiatrischem Behandlungsbedarf oder Epilepsien Pflegepersonaluntergrenzen einhalten. Einem fristgerechten Widerspruch an das InEK gegen die Erfassung der Besonderen Einrichtungen als pflegesensitiver Bereich Pädiatrie für das Jahr 2021 wurde stattgegeben. Argumentationsgrundlage waren die besonderen Bedarfe der Patient:innen. Chronisch kranke Kinder werden, im Gegensatz zur Situation einer akutstationären Behandlung, tagsüber durch pädagogisches Personal in klinikeigenen Schulen oder Kindertagesstätten betreut oder befinden sich im Rahmen therapeutischer Maßnahmen in der Obhut anderer Gesundheitsfachberufe. Eine zusätzliche Anwesenheit von Pflegekräften ist während dieser Zeiten daher nicht sinnvoll und verursacht zusätzliche Kosten für die Kostenträger über das Pflegebudget. Dieser Argumentation ist das InEK in Abstimmung mit dem BMG Ende 2020 gefolgt.
Mit der Datenerhebung des InEK im Jahr 2021 konnte im vorliegenden Referentenentwurf der pflegesensitive Bereich spezielle Pädiatrie ausgewiesen werden, insbesondere der Bereich Neuro- und Sozialpädiatrie und Rheumatologie. Diese sehen ein niedrigeres Pflege-Patienten-Verhältnis als in der allgemeinen Pädiatrie vor (1:6 am Tag und 1:14 in der Nacht, Art. 1 Nr. 4 a) cc)). Ausschlaggebend für die Versorgungskonzepte der besonderen Einrichtungen ist aber ein besonderer Personalmix aus pädagogischen und therapeutischen Mitarbeitenden, der durch die Pflegepersonaluntergrenzen nicht erfasst werden kann.
Um den Besonderen Einrichtungen nach §17b Abs.1 S.10 KHG weiterhin die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit ihrem etablierten und erfolgreichen Behandlungskonzept zu ermöglichen, bitten wir darum, diese von der Erfüllung der Pflegepersonaluntergrenzen auszunehmen.
Entsprechend möchten wir folgenden Formulierungsvorschlag unterbreiten:
Dem Art. 1 Nr. 2 b) bb) wird folgender Satz angehängt:
„Abteilungen der speziellen Pädiatrie, die als Besondere Einrichtungen nach § 17b Abs.1 S.10 KHG zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen anerkannt sind, sind von der Erfüllung der Pflegepersonaluntergrenzen ausgenommen.“
Weitere Anmerkungen:
Im Rahmen der Verordnungsbegründung bitten wir um Veröffentlichung der anonymisierten Daten, die das InEK zur Ermittlung der Pflegepersonaluntergrenzen herangezogen hat, einschließlich der Sonderabfrage zur Geburtshilfe aus dem April 20213. Wir sehen darin einen wichtigen Baustein, um die Akzeptanz für die Pflegepersonaluntergrenzen bei Pflegekräften, Ärzteschaft und im Management der Krankenhäuser zu fördern, da damit die Ermittlung der Pflegepersonaluntergrenzen nachvollziehbar und transparent wird.
Die Pflegepersonaluntergrenzen sind aus Sicht des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes und der Diakonie Deutschland lediglich eine Übergangslösung, um eine patientensichere, pflegerische Versorgung im Krankenhaus bei guter Arbeitsqualität für die Pflegenden zu gewährleisten. Ziel muss es sein diese mit einem wissenschaftlich fundierten Pflegebedarfsbemessungsinstrument zu ersetzen. Beachtung finden kann dann auch ein am jeweiligen Patient:innenbedarf ausgerichteter Qualifikationsmix und die Leistung akademisch qualifizierter Pflegender. Wir begrüßen, dass hierfür durch das GVWG der Weg bereitet wird.
Quellen:
1 Friedrich S. et.al. „Studie zur Pflegepersonalausstattung und „Pflegelast“ in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern. GKV-Spitzenverband /Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V., 24. September 2018
2 Konzept zur Abfrage und Übermittlung von für die Festlegung von pflegesensitiven Bereichen und zugehörigen Pflegepersonaluntergrenzen erforderlichen Daten gemäß § 137i Absatz 3a Satz 1 SGB V vom 19. Februar 2021
3 Konzept zur Abfrage und Übermittlung von für die Festlegung von pflegesensitiven Bereichen und zugehörigen Pflegepersonaluntergrenzen erforderlichen Daten gemäß § 137i Absatz 3a Satz 1 SGB V“ vom 19. Februar 2021, Seite 10