Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)

Für die Diakonie Deutschland und den Deutschen Evangelischen Krankenhausverband steht die Qualität der Versorgung an erster Stelle. Mit unserer verbandlichen Arbeit setzen wir uns aktiv ein für

• die Verbreitung von Qualitätsverträgen nach § 110a SGB V, insbesondere für Menschen mit Behinderung,
• die Entwicklung von Qualitätsindikatoren für vulnerable Patient:innengruppen und
• die Entwicklung eines Zuwendungsindex.

Mit dem Zuwendungsindex werden Aspekte wie Patient:innenorientierung und Patient:innenzufriedenheit objektiv messbar. Dadurch fließen sie in die Ergebnisqualität ein und werden Teil der Qualitätssicherung. Qualität sehen die evangelischen Krankenhäuser als Wettbewerb und Motor für Innovation und Verbesserung in der Patien:tinnenversorgung.
Die Diakonie Deutschland und der DEKV unterstützen alle Schritte, die Patient:innen helfen, für ihre Behandlung ein Krankenhaus einfach, gut informiert und barrierefrei auszuwählen. Eine Voraussetzung sind dabei transparente und leicht zugängliche Informationen zur Behandlungsqualität.

Der hier vorliegende Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP für einen „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)“ kann dieses Ziel nicht erfüllen.
Wir danken dem BMG für die Möglichkeit, zum Entwurf der Formulierungshilfe Stellung zu nehmen. Gerne bringen wir unsere Vorschläge in den Gesetzgebungsprozess ein, um das Transparenzportal so zu gestalten, dass es Patient:innen bei der Entscheidungsfindung informiert und unterstützt.

Grundsätzlich sehen wir die bestehenden Qualitätssicherungsverfahren als eine transparente und bewährte Grundlage, um die Qualität in den Krankenhäusern darzustellen. Den Anspruch der Bürgerverständlichkeit können diese Maßnahmen jedoch nicht erfüllen. Wir setzen uns dafür ein, den Qualitätsbericht nach § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V so weiterzuentwickeln, dass er als niedrigschwellige Informationsquelle für Patient:innen und Patienten dienen kann. Dadurch wird das hier vorgestellte Transparenzportal überflüssig.

Folgende konkrete Änderungsbedarfe am vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir:

1. Transparenzverzeichnis braucht Risikoadjustierung und strukturierten Dialog

Durch Einbindung der Ergebnisse der datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in das Transparenzverzeichnis werden Komplikations- und Mortalitätsraten als Indikatoren für die Ergebnisqualität genutzt (Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 4). Die Gesetzesbegründung zu Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S. 2 beschreibt die Notwendigkeit einer Risikoadjustierung dieser Daten zur Ergebnisqualität, damit ein valider Vergleich der Krankenhäuser möglich bleibt. Dieser Maßnahme stimmen wir ausdrücklich zu. Nur wenn das Komplikationsrisiko der behandelten Patient:innen gewichtet einberechnet wird, lässt sich die tatsächliche Qualität des Krankenhauses richtig einschätzen.

Im Entwurf des Gesetzestextes wird die Notwendigkeit einer Risikoadjustierung aber nicht festgeschrieben und bleibt daher optional.

Eine ungewichtete Einberechnung würde zu einer Verzerrung bei der Ergebnisqualität führen, da ältere Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit Vorerkrankungen ein höheres Risiko für Komplikationen haben. Krankenhäuser, die diese Patient:innengruppen behandeln, würden mit einer schlechteren Ergebnisqualität im Transparenzverzeichnis ausgewiesen. Auch die Ergebnisqualität in hochspezialisierten Krankenhäusern würde nicht korrekt dargestellt: Sie übernehmen aufgrund ihrer Expertise die Versorgung von komplexen Fällen, bei denen das Risiko von Komplikationen besonders hoch ist. Dadurch würden sie trotz höherer Qualität mit einem schlechteren Ergebnis im Transparenzportal gelistet. Eine patientenbezogene Risikoadjustierung muss zwingend erfolgen, um dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
Die Beurteilung der Qualität anhand rechnerischer Auffälligkeit ist nicht ausreichend. Daher besteht in der existierenden datengestützten, einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung das Instrument des strukturierten Dialogs bzw. des Stellungnahmeverfahrens. Dieses etablierte Verfahren muss bei der Datenvalidierung des Transparenzverzeichnisses zur Anwendung kommen können.

Änderungsvorschlag:

Nach Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S. 2 werden folgende Sätze eingefügt:

„Das Institut nach § 137a SGB V stellt eine angemessene Risikoadjustierung der Informationen nach Satz 1 sicher. Das Institut nach § 137a SGB V sorgt darüber hinaus, vor Veröffentlichung, für die Verifikation auffälliger Ergebnisse aus der Qualitätssicherung in Form von strukturierten Dialogen oder eines Stellungnahmeverfahrens.“

2. Keine Vorwegnahme der Definition von Leistungsgruppen ohne Qualitätsbezug
Grundlage des im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen Qualitätsprotals sind Leistungsgruppen (Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S. 1). Für Krankenhäuser in den Bundesländern, die derzeit noch keine Regelung für Leistungsgruppen haben, soll die Zuteilung durch das InEK erfolgen (Art. 2 Nr. 3).
Ein auf ICD-10 und OPS basierendes Verfahren muss durch das InEK entwickelt werden.
Nach diesem Verfahren muss allen Krankenhäusern, die entsprechende Leistungen erbringen, die zugehörige Leistungsgruppe zugeteilt werden. Ein anderes Vorgehen würde der Krankenhausplanung durch die Länder über Leistungsgruppen vorgreifen.
Weder Mindestfallzahlen noch die im Eckpunktepapier Krankenhausreform vom 10.07.2023 vorgesehenen Qualitätsvorgaben für die Leistungsgruppen können in diesem Prozess Berücksichtigung finden. Diese Leistungsgruppen sind also von der erbrachten Qualität entkoppelt. Eine signifikante Aussagekraft zur Qualität der erbrachten Leistung haben sie somit nicht. Aus diesem Grund lehnen wir das im Gesetzentwurf vorgeschlagene Verfahren ab.

Im Zuge der in diesem Jahr umzusetzenden Krankenhausreform werden Leistungsgruppen auf Basis von Qualitätsvoraussetzungen entwickelt und den Krankenhäusern zugewiesen. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, sollte das Transparenzportal installiert werden. Dieses Vorgehen schafft ausrechend Zeit für notwendige Vorarbeiten durch das InEK und das IQTIG. Wir schlagen daher vor, den Start des Tarnsparenzportals auf den 01.01.2026 zu verschieben, um die Krankenhäuser auf Basis der Leistungsgruppen darzustellen, die die Landesplanungsbehörden bundeseinheitlich und qualitätsorientiert festlegen.

Änderungsvorschlag:

• Art. 1 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 wird wie folgt geändert: „Die Veröffentlichung erfolgt erstmals zum 1. April 2026 und…“
• Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S .4, 5 entfallen.
• Art. 2 Nr. 3 Abs. 3e entfällt.
• Art. 2 Nr. 5 S. 2 wird wie folgt geändert: „…erstmals bis zum 15. Januar 2026.“
• Art. 3 wird wie folgt gefasst: „Das Gesetz tritt am 01.07.2025 in Kraft

3. Versorgungsstufen (Level) ermöglichen keinen Rückschluss auf die Versorgungsqualität
Der Gesetzentwurf teilt die Krankenhäuser in die 3 Versorgungsstufen (Level) 1n, 2, 3 ein (Art. 1. Nr. 1 Abs. 4) ein. Zusätzlich werden Level für Fachkliniken (Level F) und sektorenübergreifende Versorger (Level 1i) definiert. Einziges Kriterium für die Zuteilung eines Krankenhauses zu den Versorgungsstufen 1n bis 3 sind Zahl und Art der Leistungsgruppen. Diese sind von der Größe eines Krankenhauses abhängig.
Eine höhere Zahl an behandelten Patient:innen kann in Verbindung mit einer höheren Qualität gebracht werden. Die Größe des Krankenhauses erlaubt aber keinen Rückschluss auf die Zahl der behandelten Patient:innen in einer bestimmten Leistungsgruppe.
Vorgaben für Struktur- und Prozessqualität werden im Zuge der Krankenhausreform in den Leistungsgruppen hinterlegt (Eckpunktepapier – Krankenhausreform – vom 10.07.2023). Bei der Zuordnung zur Versorgungsstufe spielen sie keine Rolle. Es lässt sich also kein Zusammenhang zwischen Versorgungsstufe und Qualität herstellen.
Für die Einschätzung der Qualität durch den Bürger sind die hier vorgeschlagenen Versorgungsstufen nicht zielführend. Das hier vorgeschlagene Transparenzverzeichnis kann auf dieses Werkzeug verzichten.

Änderungsvorschlag:

Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 S.1 Nr. 2 entfällt.

Art. 1 Nr. 1 Abs. 4 entfällt.

Art. 2 Nr. 3 Abs. 3d S. 2 entfällt.

4. Bürgerverständlichkeit sicherstellen
Das Transparenzverzeichnis über die Krankenhausbehandlung in Deutschland soll Patient:innen in leicht verständlicher, interaktiver Form über das Leistungsangebot und dessen Qualität am jeweiligen Krankenhausstandort informieren. Eine bürgerverständliche Übersetzung von Daten der Qualitätssicherung und vergleichenden statistischen Daten der Krankenhäuser ist als sehr herausfordernd zu betrachten. Um den Erflog der Maßnahme sicherzustellen, müssen Patient:innenorganisationen bei der Entwicklung des Transparenzportals frühzeitig beratend eingebunden werden. Darüber hinaus müssen das Portal und seine Wirksamkeit nach 2 Jahren evaluiert werden.

Änderungsvorschlag:

Nach Art. 1 Nr. 1 Abs. 3 wird ein Absatz 3a eingefügt:

Bei der Entwicklung des Transparenzverzeichnisses nach Absatz 1 hat das Institut nach § 137a SGB V die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen beratend einzubeziehen. Die Bürgerverständlichkeit und das Nutzungsverhalten der Bürger:innen bezüglich des Transparenzverzeichnisses nach Absatz 1 sind durch das Institut nach § 137a SGB V 2 Jahre nach Erstveröffentlichung zu evaluieren. Der Bericht ist dem Deutschen Bundestag bis zum [Ende des Jahres, 2 Jahre nach Erstveröffentlichung des Verzeichnisses nach § 135d SGB V] vorzulegen.

5. Keine Außenhaftung der Leitung des Krankenhauses
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine persönliche Haftung der Leitung des Krankenhauses vor, wenn Daten nach Art. 2 Nr. 1 S. 1 nicht rechtzeitig oder nicht vollständig an das InEK übermittelt werden. (Art. 2 Nr. 5 S. 6). Diese Regelung sehen wir kritisch und fordern die Streichung.
Grundsätzlich ist eine Außenhaftung der Leitung eines Unternehmens im deutschen Rechtssystem unüblich. Vertragspartner im Krankenhauswesen ist der Träger des Krankenhauses und dieser sollte somit, wenn überhaupt, an erster Stelle haftbar sein. Darüber hinaus beinhaltet der Gesetzentwurf erhebliche juristische Unklarheiten. Mit dem Begriff „Leitung des Krankenhauses“ ist die haftende Person nicht eindeutig festgelegt. Ein:e Verwaltungsdirektor:in beispielsweise ist leitende:r Angestellte:r und in haftungstechnischen Fragen anders gestellt als ein:e Geschäftsführer:in. Je nach Organisationsform des Krankenhauses kommt noch die Ebene eines (Holding-)Vorstandes hinzu. Schließlich bleibt offen, wer Anspruchsberechtigter sein soll und für bzw. auf was gehaftet werden soll: Soweit auf Schadensersatz gehaftet werden soll, müsste Näheres über Art und Höhe des Schadensersatzanspruches normiert werden. Aus unserer Sicht sollte die Regelung entfallen.

Änderungsvorschlag:

Art. 2 Nr. 5 S. 6 entfällt.

Grundlegende Anmerkung zum administrativen Aufwand und Bürokratieaufwand
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für den Aufbau eines Transparenzportals sind zusätzliche Verpflichtungen zur Datenlieferung für Krankenhäuser verbunden, insbesondere die Zuordnung des ärztlichen Personals zu den Leistungsgruppen (Art. 2 Nr. 1a)bb)f)). Qualitätssicherungsverfahren sind auf Daten angewiesen. Ziel muss es aber sein, den Aufwand für die Datenerhebung möglichst gering zu halten. Über diesen Gesetzentwurf hinausgehend muss geprüft werden, welche Daten für unterschiedliche Zwecke (Qualitätssicherung, Abrechnung, Statistik) mehrfach und in ähnlicher Weise zu erheben sind. Diese müssen harmonisiert werden, sodass Datensätze für mehrere Anforderungen verwendet werden können und nicht mehrfach erhoben und kuriert werden müssen. Wir begrüßen, wenn das Bundesministerium für Gesundheit diese Anregung in seine „Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen [..]“ im Rahmen des Auftrags nach § 220 Abs. 4 SGB V aufnehmen würde.

Anmerkung zum Erfüllungsaufwand der Wirtschaft
Der Aufwand für die zusätzlich im Gesetzentwurf vorgeschriebenen Datenübermittlungen wird signifikant unterschätzt. Die Personalkosten werden auf 39,32 Euro pro Quartal und Krankenhaus (S. 14) beziffert. Über alle rund 1.7000 Krankenhäuser summiert sich das auf knapp 66.000 Euro pro Quartal. Die Praxisvertreter:innen der evangelischen Krankenhäuser schätzen hingegen einen Personalaufwand von 0,5 Vollkräften pro 10.000 erbrachter Krankenhausfälle, um die neu geforderte Datenzuordnung, Verifikation und Übermittlung zu erbringen. Bei rund 17 Millionen erbrachten Fällen im Jahr 20211bedeutet dies Personalkosten für die rund 1.700 Krankenhäuser in Höhe von knapp 15 Millionen Euro pro Quartal.2

Zuwendung als Teil der Qualität messbar machen
Die Diakonie Deutschland und die evangelischen Krankenhäuser sind der Überzeugung, dass sich eine qualitativ hochwertige Versorgung nicht nur in der medizinischen und pflegerischen Behandlung (messbare Kennzahlen) widerspiegelt. Zuwendung ist ein elementarer Teil des Behandlungsprozesses und ein Merkmal für die Ergebnisqualität. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Auswahl des Krankenhauses, insbesondere bei älteren und hochaltrigen Patient:innen, Patient:innen mit schwerer Behinderung und Patient:innen mit lebensbegrenzenden Diagnosen.
Die Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband sind der Meinung, dass es höchste Zeit ist, einen Zuwendungsindex zu entwickeln. Dieser soll die Behandlungsqualität mit Patient:innenerleben und Arbeitsqualität für Mitarbeitende in den Kliniken verbinden. Dadurch wird das Konstrukt Zuwendung messbar und vergleichbar. Als Diakonie Deutschland und evangelische Krankenhäuser sind wir überzeugt, dass klinische Behandlungsleistungen nur als Kombination aus medizinischer und pflegerischer Leistung und der an den Patient:innenbedürfnissen orientierten Zuwendung wirkkräftig sind.
Gerne überlassen wir Ihnen dazu in der Anlage einen publizierten Artikel des DEKV-Vorsitzenden Christoph Radbruch.

1 Gesundheitsberichterstattung des Bundes: „Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000 (Eckdaten der vollstationären Patienten und Patientinnen). Gliederungsmerkmale: Jahre, Behandlungs-/Wohnort, ICD10“, gbe-bund.de, abgerufen am 25.08.2023

2 Berechnung: 17.157.549 Fälle / 20.000 Fälle pro 1 VK = 857,9 VK; 857,9 VK x 69.000 Euro pro VK/ 4 Quartale = 14.798.386 Euro/Quartal

Stellungnahme zum Download

Beitrag Radbruch Religion im Krankenhaus Ersterschienen in der Praktischen Theologie des Gütersloher Verlagshauses zum Download