Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband e. V. (DEKV) dankt dem Bundesministerium für Gesundheit für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Wir bitten die nachfolgenden Vorschläge für die Verordnung zu prüfen und aufzunehmen.
1. Anpassung der Ausnahme für die Zuweisung von Leistungsgruppen trotz Nichterfüllung der Qualitätskriterien
Im Rahmen der Krankenhausreform zielt §135e SGB V darauf ab, einheitliche, standortbezogene Qualitätsanforderungen für Krankenhäuser festzulegen. Grundsätzlich ist dieses Ziel im Sinne der Patientensicherheit und Versorgungsqualität zu begrüßen. Allerdings bedarf es im Hinblick auf hoch spezialisierte Fachkrankenhäuser und besondere Einrichtungen einer dauerhaften, gesetzlich verankerten Ausnahme, um deren besondere Versorgungsstruktur und medizinische Kompetenz weiterhin gewährleisten zu können.
Änderungsvorschlag: §6a Absatz 4 Satz 4 KHG
Wenn ein Krankenhausstandort in dem in Satz 1 Nummer 1 genannten Fall zum Zeitpunkt der Zuweisung der jeweiligen Leistungsgruppe in die Liste nach §9 Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausentgeltgesetzes aufgenommen oder eine Fachklinik oder eine besondere Einrichtung nach §17b Absatz 1 Satz 10 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ist, kann die Leistungsgruppe abweichend von Satz 4 unbefristet zugewiesen werden.
Begründung:
Eine dauerhafte Ausnahme für Fachkrankenhäuser und besondere Einrichtungen ist aus den nachfolgenden Gründen notwendig und sachgerecht.
1. Hochgradige Spezialisierung
Fachkrankenhäuser und besondere Einrichtungen zeichnen sich durch ein eng umrissenes, hoch spezialisiertes medizinisches Leistungsspektrum aus. Sie behandeln häufig seltene, komplexe oder chronische Erkrankungen – etwa in den Bereichen Kinder- und Jugendmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Onkologie, Rheumatologie oder Geriatrie – mit einem hohen Maß an fachlicher Expertise.
Diese Spezialisierung führt zu:
• einer überdurchschnittlichen Behandlungsqualität durch erfahrene Expertenteams,
• evidenzbasierten und leitlinienprägenden Therapiekonzepten,
• neuen interdisziplinären Versorgungsmodellen sowie
• wissenschaftlicher und klinischer Exzellenz auf ihrem Spezialgebiet.
2. Fachkrankenhäuser und besondere Einrichtungen sind integraler Versorgungsbestandteil
Fachkrankenhäuser und besondere Einrichtungen übernehmen oft Aufgaben, die andere Kliniken qualitativ nicht anbieten können. Dazu gehören Langzeitbehandlungen, hoch spezialisierte Versorgung sowie multimodale Therapiekonzepte und patientenzentrierte Behandlungsprozesse bei chronischen oder komplexen Krankheitsbildern.
Damit sichern sie:
• bundesweite Behandlungsexpertise für eine flächendeckende, hochspezialisierte medizinische Versorgung auch bei sehr seltenen Erkrankungen,
• eine patientenorientierte Struktur, die sich an tatsächlichen Bedarfen orientiert, sowie die Entlastung der Grund- und Regelversorgung durch gezielte Schwerpunktbildung.
3. Nicht sachgerechte pauschale strukturelle Anforderungen
Allgemeine standortbezogene Anforderungen, wie beispielsweise das Vorhalten einer Intensivstation, berücksichtigen nicht die medizinisch erforderlichen Strukturen im hoch spezialisierten Versorgungskontext.
Die pauschalen strukturellen Anforderungen sind für Fachkrankenhäuser sowie besondere Einrichtungen nicht sachgerecht weil:
• die behandelten Erkrankungen regelhaft keine akuten intensivmedizinischen Komplikationen erwarten lassen, so dass keine Intensivkapazitäten oder ähnliches vorgehalten werden,
• bei Behandlungsbedarfen im Therapiesetting abgestimmte und etablierte Kooperationen mit umliegenden Akutkliniken bestehen,
• zur Verfügung stehende eigene Intermediate-Care-Einheiten oder spezialisierte Monitorbereiche ausreichend sind,
• der Aufbau zur Erfüllung der Strukturanforderungen unnötige Investitionen bedeutet und folglich die Krankenhäuser gefährdet sowie knappe, aber nicht benötigte Ressourcen bindet.
2. Anpassung Fristen für LG-Prüfaufträge an MD und Abschluss
Das Krankenhausreformanpassungsgesetz verfolgt das Ziel, notwendige Anpassungen am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorzunehmen. Das KHVVG will die Qualität der stationären Versorgung in Deutschland durch bundeseinheitliche Leistungsgruppen mit Strukturvorgaben und Qualitätsanforderungen nachhaltig ausrichten sowie die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser verbessern. Diese Basisziele der Reform sind zu begrüßen.
Angesichts der bereits fortgeschrittenen Umsetzungsprozesse in den Bundesländern sowie den damit verbundenen laufenden Fristen ist eine rechtssichere Fristauslegung erforderlich. Die Anpassung von Prüffristen des Medizinischen Dienstes (MD) sowie zur Beantragung von Fördermitteln, basierend auf den Fristen des KHVVG und der Krankenhaustransformationsfondsverordnung, welche nun im Krankenhausreformanpassungsgesetz revidiert werden, sollten im Gesetzgebungsverfahren vorgezogen werden.
Nur so kann gewährleistet werden, dass:
• die begonnen Planungsschritte der Länder rechtssicher abgeschlossen werden können,
• keine weiteren Anpassungen an begonnen Umsetzungen erforderlich sind,
• Krankenhausträger ausreichend Zeit zur Umsetzung erhalten,
• Prüfvorgänge des MD ohne Widersprüche und einheitlich verlaufen,
• mögliche Verzögerungen des Gesetzesverfahrens auf Bundesebene die Umsetzung in den Ländern nicht konterkarieren.
Änderungsvorschlag:
Der DEKV fordert daher eine vorgezogene gesetzliche Festlegung der Fristen aus dem Krankenhausreformanpassungsgesetz, um die Synchronisierung zwischen Bundesgesetzgebung, Landesplanung und der Prüfung durch den Medizinischen Dienst sicherzustellen. Es ist dringend erforderlich, die im Gesetz vorgesehenen Fristen für eine rechtssichere Umsetzung der Reform in einem anderen Gesetzgebungsverfahren früher zu verankern.
Begründung:
1. Reformumsetzung schreitet in den Ländern voran
Unabhängig von weiteren gesetzlichen Änderungen durch das KHAG auf Bundesebene haben mehrere Bundesländer bereits mit der konkreten Umsetzung der Reform begonnen. Diese Umsetzung auf Landesebene erfordert Klarheit hinsichtlich der Fristen und den damit verbundenen Anforderungen für Krankenhäuser.
• Sachsen: Das Antragsverfahren, in dem die Krankenhäuser Leistungsgruppen beantragen konnten, endete bereits zum 30. April.
• Niedersachsen: In Niedersachsen lief das Verfahren zur Leistungsgruppenbeantragung durch die Kliniken vom 1. April bis zum 4. Juli 2025 mit etwa 2.300 Leistungsgruppenanträgen.
• Brandenburg: Gemäß dem Zeitstrahl zur Umsetzung der Krankenhausreform im Land Brandenburg läuft bereits die Beantragung der Leistungsgruppen sowie der Mittel aus dem Transformationsfonds.
• Thüringen und Sachsen-Anhalt: Auch hier laufen bereits die Beantragungen respektive sind abgeschlossen.
• Bremen und Rheinland-Pfalz: wollen das Antragsverfahren ab August eröffnen.
• Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein: warten mit dem Beginn der Beantragung auf den Referentenentwurf des KHAG.
Diese föderale Realität zeigt deutlich die dringend benötigte Klarheit bei den Fristen. Unklare Fristen führen nicht zu einer besseren Umsetzung, sondern erschweren diese durch Unsicherheiten und Mehrarbeit in den Krankenhäusern.
2. Prüffristen des Medizinischen Dienstes
Parallel zu den Umsetzungen in den Ländern bestehen damit verbundene Prüffristen des Medizinischen Dienstes (MD) hinsichtlich der Strukturmerkmale und Qualitätsanforderungen. Wenn die gesetzlichen Anforderungen und Fristen auf Bundesebene neu definiert werden, geraten Einrichtungen bei nicht rechtssicherem Status in einen zeitlichen Konflikt mit dem MD. Insbesondere wenn Prüffristenänderungen wie beispielsweise §275 Absatz 2 Satz 7 u. 8 SGB V Einfluss auf die neuen Krankenhauspläne der Länder besitzen.
Auszug Begründung Referentenentwurf KHAG Seite 79:
„Die Fristen für die Beauftragung der erstmaligen Leistungsgruppenprüfungen durch den Medizinischen Dienst wird entsprechend auf den 31. Dezember 2025 verschoben. Der Abschluss der Prüfungen hat bis zum 31. Juli 2026 zu erfolgen. Die Fristenanpassungen ermöglichen, dass die Entscheidungen der Länder zur Zuweisung von Leistungsgruppen, die voraussichtlich zum 1. Januar 2027 erfolgen, durch die Prüfungen des Medizinischen Dienstes und dessen Gutachten angemessen vorbereitet werden.“
Diese zu begrüßende Friständerung geht jedoch mit einem Risiko für
• wirtschaftliche Schäden durch unnötige Zwischenlösungen oder Fehlinvestitionen,
• Rechtsunsicherheit für Träger, Aufsichtsbehörden und Aufsichtsgremien sowie
• eine faktische Ungleichbehandlung von Krankenhäusern in den Bundesländern einher.
3. Streichung LG 65 (Notfallmedizin)
Durch die Streichung der Leistungsgruppe 65 Notfallversorgung fehlt die Transparenz der notwendigen Kostenstrukturen für die personelle und apparative Ausstattung von Notaufnahmen.
Die Refinanzierung der Notfallambulanzen in deutschen Krankenhäusern ist durch eine Mischfinanzierung gekennzeichnet. Der Mix aus unzureichender ambulanter Vergütung und nicht abgrenzbaren Erlösen aus der stationären Vergütung führt dazu, dass die Notaufnahmen langjährig strukturell unterfinanziert sind.
Exemplarisch hierfür ist, dass die Kosten für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme nicht angemessen ermittelt werden können. Grund dafür ist, dass die Finanzierung hauptsächlich auf die stationäre Versorgung ausgerichtet ist. Im Ergebnis führt dies dazu, dass Krankenhäuser nicht die erforderlichen finanziellen Mittel erhalten, um die Notaufnahmen kostendeckend zu betreiben.
Gleichzeitig werden ambulante Notfälle bezogen auf die vorgehaltenen Krankenhausstrukturen unzureichend vergütet.4 Infolgedessen erhalten die Notaufnahmen nicht die erforderlichen finanziellen Mittel, um ambulante notfallmedizinische Patientinnen und Patienten kostendeckend zu versorgen.
Der DEKV fordert daher die sachgerechte Ausfinanzierung der vorgehaltenen notfallmedizinischen Versorgungsstrukturen in den Krankenhäusern.
Darüber hinaus ist es daher notwendig, die Abrechnungsdaten der stationären Notaufnahme stärker im Hinblick auf die Aufnahmegründe zu differenzieren. Das schafft eine bessere Kostentransparenz. Durch diese detailliertere Erfassung der Aufnahmegründe könnte transparenter nachvollzogen werden, welche Kosten tatsächlich durch stationäre Notfallpatientinnen und -patienten verursacht werden. Zur Herleitung der tatsächlich anfallenden Kosten und einer Kostentransparenz sind regelhaft der Aufnahmeanlass und Aufnahmegründe im §21er-Datensatz für die Notaufnahme bzw. Rettungsstelle weiter zu spezifizieren. Im Rahmen der InEK-Kalkulation ist eine weitere Differenzierung der Notaufnahmen in einer neuen Kostenstellengruppe stationäre Notfallmedizin (Gruppe 14) zu diskutieren.