Zur Umsetzung der „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts stimmt der Deutsche Bundestag am Donnerstag über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes ab.
Bei der Entscheidung, wem im Falle einer Pandemie bei fehlenden intensivmedizinischen Kapazitäten geholfen wird, darf künftig nur die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit eine Rolle spielen. Eine Diskriminierung wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung sowie des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung darf es nicht geben.
Die Diakonie Deutschland, der evangelische Fachverband für Teilhabe (BeB) und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) begrüßen den im Gesetzentwurf erkennbaren Willen, sich auf ein klares Entscheidungskriterium zu verständigen. Allerdings ist damit keine mittelbare Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich ausgeschlossen. Um dies zu verhindern, sollte der gesetzliche Handlungsrahmen auch vorsehen, dass die Zuteilungsentscheidung nur auf der Grundlage eines besonders erheblichen Unterschieds in der auf die aktuelle Krankheit bezogenen kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit getroffen wird. Die drei diakonischen Verbände bedauern zudem, dass wichtige Lehren aus der Corona-Pandemie nicht gezogen werden und diese Chance vertan wird. So appellieren sie an die Bundestagsabgeordneten, auch eine Diskriminierung vor der eigentlichen Triage-Entscheidung gesetzlich zu verhindern. In den vergangenen Jahren der Corona-Pandemie war es wiederholt dazu gekommen, dass Menschen, die in Pflegeeinrichtungen oder besonderen Wohnformen lebten, ohne Anschauung der einzelnen Person von einer Krankenhausaufnahme ausgeschlossen wurden, um die Betten für die Behandlung von Patient:innen mit besserer Prognose frei zu halten. Eine solche „Triage vor der Triage“ ist absolut nicht hinnehmbar. Um diese zu verhindern, gilt es verpflichtende Schutzmaßnahmen zu implementieren.
Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, sagt: „Ein diskriminierungsfreier Zugang zu intensivmedizinischer Behandlung erfordert zunächst, dass alle Menschen, die eine Krankenhausbehandlung benötigen, auch ins Krankenhaus aufgenommen werden.“
Pfarrer Frank Stefan, Vorsitzender des BeB, fügt hinzu: „Unerlässlich ist auch, dass Information und Aufklärung über die intensivmedizinische Behandlung für alle Menschen verständlich sind. Hierzu brauchen die Krankenhäuser Aufklärungsmaterialien in leichter Sprache.“
„Es sind weitere Schritte erforderlich, um der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung bei der gesundheitlichen Versorgung, nicht nur im Falle einer Triage, entgegenzuwirken: Die Stärkung der ärztlichen Aus- und Weiterbildung zu behinderungsspezifischen Inhalten ist hier ein wichtiger Baustein. Auch ist das Instrument der Qualitätsverträge geeignet, eine diskriminierungsarme behindertenmedizinische Behandlungsqualität auf Hausebene zu realisieren“, ergänzt Christoph Radbruch, Vorsitzender des DEKV.