Der flächendeckende Zugang zu einer qualifizierten medizinischen Versorgung gilt als ein Grundpfeiler des deutschen Gesundheitssystems. Eine im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellte IGES-Studie kommt nun zu dem Schluss, dass von mehr als 1.400 Krankenhäusern in Deutschland weniger als 600 – dafür große Kliniken – benötigt würden. Damit verbunden ist die Forderung nach einer Strukturveränderung: Ein zweistufiges System mit „Neuer Regelversorgung“ in Mittelzentren und einer „Maximalversorgung“ in Groß- und Oberzentren soll die bisherige drei- oder vierstufige Krankenhausversorgung (Grund- und Regelversorgung, Schwerpunkt- und Maximalversorgung, Fachkliniken) ablösen.
Dazu Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes e. V. (DEKV): „Größe und Anzahl von Krankenhäusern sind nur ein Faktor unter vielen, um eine patientenzentrierte und bedarfsgerechte medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die Schlussfolgerung, dass große Krankenhäuser bessere Leistungen als kleinere Kliniken erbringen, ist nicht zu beweisen. Es ist ein Irrtum, dass die Maximalversorger die Mengen haben. Im evangelischen Krankenhausbereich gibt es viele kleine Spezialisten. Ihre Patientenzahlen für bestimmte Fachabteilungen liegen höher als die der Universitätskliniken. So beispielsweise das Evangelische Diakoniekrankenhaus Freiburg mit seiner Viszeralchirurgie: Jährlich werden dort 2.896 Patienten behandelt, hingegen 2.800 im Universitätsklinikum.
Auch auf der Ebene der Operationen führt die Spezialisierung zu beachtenswerten Zahlen: Die Operation „Entfernen der Gallenblase“ wird im Diakoniekrankenhaus Freiburg 454 Mal vorgenommen, hingegen gab es nur 307 Operationen dieser Art im Universitätsklinikum. Qualität hängt auch davon ab, dass die Fachabteilungen gut miteinander kooperieren und zusammenarbeiten. Da sind kleinere Krankenhäuser oft im Vorteil. Zudem sind bei der stationären Bedarfsplanung regionale Besonderheiten und gewachsene Strukturen zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für ländliche Gebiete und auch die stetig wachsende Zahl älterer Patienten, denen lange Wege nicht zugemutet werden können, darf nicht aus den Augen verloren werden“, so Radbruch.
Optimierungspotenzial nutzen
„Evangelische Krankenhäuser bieten mit ihrer Heterogenität einen entscheidenden Beitrag für eine patientenzentrierte und zuwendungsorientierte Versorgung. Insbesondere vulnerable, kognitiv eingeschränkte Patientinnen und Patienten dürfen nicht durch das Raster fallen. Generell muss es künftig darum gehen, das ambulante Potenzial auszuweiten und neue Strukturen zu schaffen, aber stets unter Berücksichtigung des regionalen Patientenbedarfs. Aus Sicht des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes ist eine Stärkung der Landeskrankenhausplanung mit Finanzierungsverpflichtung ebenso notwendig wie ein neues Finanzierungssystem für Krankenhäuser mit der Politik auszuhandeln. Die Größe vor Regionalität und Trägervielfalt zu stellen ist eindeutig der falsche Weg.“, so Radbruch weiter.
Berlin, 16. Juli 2019